BA-Vorsitzende wechselt zu den Freien Wählern

Trudering · Stephanie Hentschel verlässt die CSU

Stephanie Hentschel ist jetzt Münchens einzige BA-Vorsitzende der Freien Wähler.

Stephanie Hentschel ist jetzt Münchens einzige BA-Vorsitzende der Freien Wähler.

Trudering · Für Außenstehende war es ein Paukenschlag: Dr. Stephanie Hentschel, Vorsitzende des Bezirksausschusses Trudering-Riem, hat die CSU verlassen und ist den Freien Wählern beigetreten. Insider wussten schon länger von dem bevorstehenden Schritt, der am 22. August vollzogen wurde. Ihr Amt als BA-Vorsitzende wird Hentschel behalten.

Friederike Steinberger, Vorsitzende des CSU-Ortsvereins Waldtrudering, wusste von den Wechselabsichten ihrer bisherigen Parteifreundin. »Es hat sich in den letzten Wochen abgezeichnet«, erklärte Steinberger auf Nachfrage des Südost-Kuriers. Mehrere CSU-Amts- und Mandatsträger hätten in den vergangenen Tagen das Gespräch mit Stephanie Hentschel gesucht, um die engagierte Lokalpolitikerin in ihren Reihen zu halten. So hätten nach Auskunft von Friederike Steinberger der Landtagsabgeordnete Markus Blume, Stadtrat Georg Kronawitter und sie selbst versucht, Hentschel zum Bleiben zu bewegen. Vergebens.

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»Ich bin a bissl traurig«, meint Steinberger, schließlich hätten sie und Hentschel viele Jahre vertrauensvoll zusammengearbeitet. Zuletzt war Hentschel stellvertretende Vorsitzende der CSU Waldtrudering. Die Enttäuschung ist groß, keine Spur dagegen von Verärgerung bei Steinberger: »Mir tut es leid, dass sie gegangen ist.«

Etwas lauter ist man da schon bei den Freien Wählern, die den Wechsel als Punktsieg feiern und Defizite bei dem politischen Kontrahenten mit markigen Worten anprangern. So erklärt der Vorsitzende der Freien Wähler München, Michael Piazolo: »Es ist schon geradezu ein Armutszeugnis für die CSU, wenn auch 2013 voraussichtlich wieder keine einzige Frau in München dort eine Chance auf ein Direktmandat für Bundestag oder Landtag haben wird.« Dass das der Grund für Hentschels Ausscheiden aus der CSU ist, vermutet auch Friederike Steinberger.

Teilweise bestätigt Stephanie Hentschel das im Gespräch mit dem Südost-Kurier. Doch die Gründe für den Abschied liegen durchaus tiefer, wie sie erläutert: »Für mich hat sich immer mehr rauskristallisiert, dass die Strukturen der großen, etablierten Parteien den typischen Berufspolitiker fördern, dem möglichst jung der Einzug in die Parlamente gelingt und dessen weitere Sozialisation meist dort erfolgt. Daraus resultiert meiner Meinung nach das Empfinden der Bevölkerung, dass die Politiker weit von der Lebenswirklichkeit der Wähler entfernt sind, daraus resultiert die Politikmüdigkeit der Menschen.« Die Bürger wollten sich aber einmischen, wollten eine Mitmachpartei, in der sich auch Quereinsteiger einbringen könnten und dies nicht nur auf unterster Ebene, meint Hentschel. »Zudem sollten auch mehr Frauen in den Parlamenten vertreten sein. Ich denke zwar, dass hier die CSU insgesamt auf gutem Weg ist, aber speziell die Münchner CSU sich eher behäbig wandelt.« Zudem habe sich die Lokalpolitikerin am Ende nur noch gefühlt wie eine Figur auf einem Schachbrett. Dieser Eindruck habe sich zunehmend manifestiert.

Hentschel hatte sich um die Kandidatur für ein Bundestagsdirektmandat im Münchner Osten bemüht, war aber von der Wahlversammlung der CSU nicht gewählt worden. Friederike Steinberger glaubt, dies sei der Auslöser für Hentschels Schritt gewesen, der der CSU fraglos weh tut. Aber er sei nicht zu verhindern gewesen. »Wir haben uns sehr um Stephanie Hentschel bemüht«, erklärt Friederike Steinberger, »da kann ich niemandem einen Vorwurf machen.«

Da aber war das Kind offenbar schon in den Brunnen gefallen. »Die Äußerung eines jungen Kandidaten, die Frauenquote werde eh nur von den Frauen gefordert, denen der Wiedereinstieg ins Berufsleben misslinge, hat mich – abgesehen davon, dass er sachlich falsch ist – schlichtweg schockiert«, schildert Hentschel und übt heftige Kritik: »Zum einen erwarte ich von einem Kandidaten für den Bundeswahlkreis eine bessere Sachkenntnis, zum anderen lässt sich hier eine Geringschätzung gegenüber Frauen herauslesen, die die konservativen Werte der CSU idealtypisch gelebt haben und sogar die eigene berufliche Karriere für ihre Familie hintenangestellt haben.« Fassungslos machte sie die Reaktion der Versammlung. Demnach gab es von der Mehrheit der Anwesenden den Beifall, den es immer gebe, sobald man sich gegen die Frauenquote ausspreche, »aber die Feinheiten der Äußerung waren wohl von den meisten überhört worden.« Hier zeige sich auch, wie beliebig von manchen Politikern mit Werten dieser Partei umgegangen werde, wenn dieses Vorgehen zumindest kurzfristig Mehrheiten sichere. »Das will ich nicht mittragen.«

Umso schwerer sei Hentschel die Entscheidung gefallen, der CSU den Rücken zu kehren. 14 Jahre lang war sie Mitglied der CSU. »Mit den politisch Aktiven im Bezirksausschuss und in meinem Ortsverband habe ich immer sehr gut zusammengearbeitet. Zu einigen gibt es eine tiefe persönliche Verbundenheit. Gerade auf der kommunalen Ebene arbeiten viele oft seit Jahrzehnten aus Überzeugung und mit enormen sozialen Kompetenzen wie zum Beispiel Friederike Steinberger oder auch Dr. Georg Kronawitter.« Dass ihrem Beispiel weitere CSU-Politikerinnen und -Politiker folgen können, erwartet Stephanie Hentschel nicht: »Für mich war der Wechsel ja auch nicht leicht und liegt in sehr persönlichen Überzeugungen begründet. Für die Münchner CSU ist es eher so, dass jemand auf seinem Schachbrett einen Läufer verloren hat, mehr nicht.«

Stadtrat Johann Altmann reagiert mit Verständnis auf Hentschels Entscheidung und macht der CSU schwere Vorwürfe: »Die CSU im Münchner Osten pflegt nach wie vor Klüngelherrschaft und es regiert eine Politik von Seilschaften.« Diese Erfahrung habe er selbst gemacht und daher vor sechs Jahren den Schritt von der CSU zu den Freien Wählern vollzogen. Im Dezember 2011 folgte ihm mit Ursula Sabathil ein bekanntes Gesicht. Schon seit Jahren wenden sich immer wieder CSU-Vertreter den Freien Wählern zu. Mit Stephanie Hentschel bekämen die Freien Wähler »eine erfahrene und überaus engagierte Kollegin in der Kommunalpolitik«, so Altmann. Das politische Grollen zulasten der CSU erlebt seine Fortsetzung in Trudering.

Carsten Clever-Rott

Artikel vom 23.08.2012
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