Neue Initiative soll illegales Sprühen verhindern

München · Wände für Graffiti gesucht

Mädchen und Buben gestalteten vor Kurzem den Kapuziner-Tunnel, nachdem die Wände mit Graffitis verschmiert worden waren. Foto: Privat

Mädchen und Buben gestalteten vor Kurzem den Kapuziner-Tunnel, nachdem die Wände mit Graffitis verschmiert worden waren. Foto: Privat

München · In München werden die Kosten auf rund drei Millionen Euro geschätzt, in Bayern sind’s etwa sechs Millionen, die Deutsche Bahn beziffert die jährliche Summe mit mehr als 50 Millionen, der Zentralverband der Deutschen Haus- und Grundeigentümer kalkuliert bundesweit per annum mit einer halben Milliarde Euro – Aufwendungen für die Entfernung von Graffitis an Gebäuden und öffentlichen Verkehrsmitteln.

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Je nach Örtlichkeit, Wand oder Fläche und verwendeter Farbe kostet laut Experten die Reinigung eines Quadratmeters 30 bis 2.000 Euro. Mit verschiedenen Ideen versuchen Polizei und Stadt das Phänomen in den Griff zu bekommen, das die einen als Schmiererei sehen, die anderen als urbane Kunst. Was das illegale Graffiti angeht, besteht in München laut Polizeiangaben der harte Kern der Szene aus knapp 100 Personen, die Trittbrettfahrer werden etwa auf 1500 bis 2000 geschätzt. Nicht selten treten die Sprüher in Gruppen auf, Crews genannt. So schafft es eine Crew in wenigen Minuten beispielsweise mehrere Waggons einer S-Bahn zu „verzieren“. Doch die Täter können nur selten ermittelt werden, obwohl im Polizeipräsidium eigens die Koordinierungsgruppe Graffiti München, die KoGra, eingerichtet wurde (Tel. 08 9/ 5 51 72-2 14, Team PP München, und Tel. 0 89/55 17 2-1 40, Team Bundespolizeiinspektion).

Um das Phänomen in den Griff zu bekommen, wurde nach Lösungswegen und Präventionsmöglichkeiten gesucht. So bietet der von der Stadt beauftragte Jugendhilfe-Verein Brücke e.V. mit seinem Projekt Graffiti München, ProGraM, eine „gerechtere Konfliktlösung als Alternative zu Arrest und Geldstrafen“ an, um den Jugendlichen nicht ihre Zukunft zu verbauen. Erstmals überführte Sprayer erhalten die Chance, nicht strafrechtlich belangt zu werden. Dafür sollen sie die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen – und schrubben, schrubben, schrubben, bis ihre Botschaften nicht mehr sichtbar sind. Eines dieser Projekte ist die Gestaltung des Kapuziner-Tunnels vor Kurzem, die auf Initiative von Beate Bidjanbeg, Kinderbeauftragte im Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, im Rahmen der Kulturtage durchgeführt wurde. Bereits vor vier Jahren hatte es eine Verschönerungsaktion gegeben. Zwischenzeitlich wurden die Flächen durch wilde Graffitis verschmiert, eine Auffrischung war überfällig.

Doch bevor es wieder losgehen konnte, mussten die Kinder unter Anleitung von Mathias Köhler alias „Loomit“, einst wilder, heute berufsmäßiger Sprayer auch im Auftrag der Stadt, die alten Werke entfernen. Und neue Impressionen durfte nur malen, wer zuvor eine Skizze seiner Ideen angefertigt und sich bei der „Grundierung“ – weiße Flächen, grüne Wiesen und hellblauer Bach – beteiligt hatte. Der 43-jährige Loomit hatte alle Hände voll zu tun, musste manches Kind bremsen, weil beispielsweise der Bach immer breiter wurde und wie die Isar anmutete. Malerisch einfacher, wobei aber Kletterkünste gefragt waren, hatten es die Pfadfinder vom Stamm Pegasus, die die südliche Außenwand am Tunnel einheitlich in Grau „tauchten“, bevor neue Sprühkunst die Wände wieder bunt machte. Bidjanbeg freut sich: „Jetzt haben wir wieder schöne neue Motive im Tunnel“.

Doch so weit soll es erst gar nicht kommen. ProGraM hat jetzt eine Initiative gestartet: Münchner Unternehmen und Hausbesitzer sollen Wände zur Verfügung stellen, die die „Künstler“ nach Abstimmung mit den Besitzern besprühen dürfen. Allerdings gab es nach vier Wochen noch keine einzige Rückmeldung. Sozialpädagogin Stephanie Koller, Leiterin des Projekts, hofft: „Wenn Flächen gemeldet werden, könnten zumindest ein paar Jugendliche vom illegalen Sprayen abgehalten werden“. Das beweisende Beispiel dafür ist eine Wand in der Tumblingerstraße im Schlachthofviertel, wo die Kids vor Ideen sprühen: Kaum ein Gemälde besteht länger als eine Woche.

Von Helmut G. Blessing

Sie haben eine Wand für Graffiti frei? Hier der Kontakt zu ProGraM:

Stephanie Koller Diplom Sozialpädagogin (FH)

Christian Blechinger Diplom Sozialpädagoge (FH)

Telefon: 089/419 468-31 / -30 Fax: 089/419 468-11 E-Mail: program@bruecke-muenchen.de

Artikel vom 13.07.2012
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