Albrecht Ackerland im Münchner SamstagsBlatt über Vandalismus und Kunst

München · „Da schau her!“ - Über Kunst lässt sich streiten!

München · Seit sie in New York so hart durchgreifen, fehlt der Stadt ein großes Stück ihrer Kultur. Das Paradoxe, etwa wie sich München gerne in der Welt schmückt mit seinem quirligen Spaß in lauen Sommernächten, mit dem Mantra der „Nördlichsten Stadt Italiens“ – und dabei aber aufs Kleinbürgerlichste das Treiben auf dem Gärtnerplatz bekämpft, das ist ein Witz im Vergleich zu New York.

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Kein Porträt der Stadt der Städte kommt ohne Bilder von Zügen aus, die vollbemalt von Graffiti-Künstlern über die Manhattan Bridge fahren. Nur sind diese Bilder längst historisch. Dieses so schöne, wichtige Merkmal von New York, es ist Geschichte. Das ist schon wirklich sehr traurig. Zum Glück ist die Stadt groß genug, dass zumindest in kleinerer Form der schöne Vandalismus blüht. Street Art ist in der Kunstszene und von Kennern längst anerkannt. Werke etwa des britischen Vandalen Banksy sind ein Vermögen wert. Große Teile der Gesellschaft, der Bewohner, der Münchner wünschen keine allzu saubere Stadt. Warum soll ein Stromkasten nicht bemalt werden dürfen? Ich finde, jemand der sich Gedanken macht, wie er ein Stück Kunst für alle schafft und das dann auch erledigt, der ist mindestens so wichtig und wertvoll wie ein Polizist, der für Ordnung sorgt.

Ordnung ist dazu da, dass sich Menschen wohl fühlen. Ich persönlich, und ich kenne viele andere, denen es sehr ähnlich geht, fühle mich sehr wohl damit, wenn Stromkästen, Brückenpfeiler oder Züge Kunst tragen. Dagegen fühle ich mich sehr unwohl bei dem Gedanken, dass es schon Strafverfahren gab, weil jemand auf ein Bushäusl einen Kunstdruck gekleistert hat. Ich kann den Groll der Deutschen Bahn, der MVG, der Stadtverwaltung verstehen, wenn teure Werbeflächen übermalt werden und durch die Reinigung immense Kosten entstehen. Wäre ich Hausbesitzer, an dessen renovierter Altbaufassade schon zum dritten Mal Sprühlack prangt, dann wäre ich auch sauer.

Über Kunst muss man streiten. Und die Frage, ob wirklich alles, was da umeinandergesprüht wird, wirklich Kunst ist, die ist sehr berechtigt. Ein schönes, geflügeltes Wort dieser Tage ist ja: „Ist das Kunst, oder kann das weg?“ Ich finde, manches wird viel zu schnell weggemacht, da wird Geld ausgegeben, das man sich hätte sparen können. Zu einer Stadt gehört die Vielfalt. Ein großer Teil dieser Vielfalt sind Menschen wie ich, die ihr Steuergeld lieber nicht für Graffiti-Beseitigung ausgeben würden. Oder für die Strafverfolgung von Künstlern. Nur blöd, dass die Grenzen bei dieser Kunstform so fließend sind. Aber das ist eben auch ihr Reiz.

Artikel vom 13.07.2012
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