Der Gärtnerplatz: zwischen Partymeile und Anwohneralltag

Zentrum · Streifzug mal anders

Susanne Küppers, Petra Wucher und Susann Ahn (v. l.) wollen Interessierten beim »Streifzug Gärtnerplatz« das Viertel näher bringen.	Foto: scy

Susanne Küppers, Petra Wucher und Susann Ahn (v. l.) wollen Interessierten beim »Streifzug Gärtnerplatz« das Viertel näher bringen. Foto: scy

Zentrum · »München leuchtet«, schrieb einst der Schriftsteller Thomas Mann. Und es scheint so, als würde es in manchen Teilen dieser Stadt ein bisschen mehr leuchten als in anderen. Beispielsweise im Gärtnerplatzviertel. Beliebtes Wohnviertel, beliebter Szenetreff, beliebte Erholungsoase.

Doch warum ist das so? Was genau macht die Faszination aus? Antworten gibt es bei einem kostenlosen Rundgang am Mittwoch, 4. Juli, ab 17 Uhr, bei dem Menschen aus dem Viertel selbst zu Wort kommen. Dabei soll es nicht nur um die Sonnenseiten gehen, auch Ängste und Nöte werden offen angesprochen. »Es gibt hier viele Probleme, die leider nicht gelöst sind«, sagt Anwohnerin Susanne Küppers. »Deshalb ist der Rundgang auch ein Versuch, Verständnis für uns zu wecken.«

Der Streifzug der anderen Art – vom Gärtnerplatz über Hotel Deutsche Eiche bis zum Herz-Jesu-Kloster – wird moderiert von Petra Wucher. »Wer selbst betroffen ist, schildert die Situation natürlich ganz anders als solche, die nur übers Hörensagen informiert sind«, so die erfahrene Stadtführerin, deren Rundgang unter anderem vom Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt und der Katholischen Stiftungsfachhochschule unterstützt wird. Größtes Problem am Gärtnerplatz, und das ist seit Jahren bekannt, sind die Grabenkämpfe zwischen Anwohnern und Partyvolk: Die einen wollen schlafen, die anderen – insbesondere auf dem legendären Rasen im Zentrum des Viertels – feiern. »Das prägt natürlich so ein Viertel«, sagt Wucher. Viele fühlten sich nicht selten an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen. So auch Susanne Küppers. »Mir wurde schon gesagt, ›dann zieh halt weg, wenn es dir zu laut ist‹. Und tatsächlich gibt es immer mehr Familien, die aus dem Viertel flüchten. Doch das kann doch nicht die Lösung sein.« Küppers hängt an dem Viertel, sie lebt seit über zwanzig Jahren hier. Man habe hier alles, was man braucht, das sei das Schöne. Alles sei nur ein paar Schritte entfernt, die Isar, der Viktualienmarkt, die Geschäfte, die Theater, so Küppers. Man solle hier doch gerne wohnen wollen – und wohnen dürfen.

Und deshalb kämpft sie, engagiert sich im »Arbeitskreis Gärtnerplatz – Urbanes Zusammenleben gestalten«. Es soll Schluss gemacht werden mit nächtelangem Partylärm, mit dreisten Wildbieslern, mit herumliegenden Bierflaschen und überquellenden Mülleimern. Schritte aufeinander zu sollten bislang von der Stadt München eingesetzte Mediatoren ermöglichen, richtig viel gebracht hat das nichts. Küppers muss morgens früh aufstehen und in die Arbeit. »Ich brauche nachts einfach meine Ruhe.« Trotzdem, man sollte nicht denken, im Gärtnerplatzviertel würden die Menschen nur noch mit einem grantigen Gesicht ­herumlaufen. »In so einem lebendigen Viertel sind Spannungen ganz normal«, so Wucher. Grundsätzlich sei die Stimmung hier gut, die meisten Anwohner seien offen und freundlich. Unter den Viertelbewohnern verändert sich allerdings gerade etwas: Während alteingessesene Familien in andere Stadtteile ziehen, kommen immer mehr junge Familien. Wucher hat schon Angst, dass »irgendwann nur noch die Reichen hier leben werden« – und man selbst verdrängt werde. Das mache nicht nur den Privatmietern Sorgen, sondern auch den Inhabern der kleinen Gewerbegeschäfte. Die Durchmischung sei nicht mehr so wie noch vor zehn Jahren. Daran kann sich auch Küppers noch gut erinnern: »Das war früher ein stinknormales Wohnviertel mit Studenten, Arbeitern, Jungen und Alten.« Weitere Blickwinkel auf das Viertel zeigt der Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur und öffentlichen Raum der TU München, der Kooperationspartner des Projekts ist: Studenten haben die unterschiedlichen Akteure und Interessensgruppen des Gärtnerplatzes kennengelernt und deren Sichtweisen, die positiven und negativen Eindrücke in einer kleinen Fotostudie porträtiert.

Ab 4. Juli werden die Arbeiten für zwei Wochen am Gärtnerplatz ausgestellt. Zum einen im Café Crème in der Reichenbachstraße. Zum anderen als Collagen, die in den Stadtraum integriert sind. Beispielsweise als Schaufensterauslage, als Street Art oder als Bild in einer Galerie. Manches, was zu sehen sein wird, mag überraschend sein – so überraschend wie der Gärtnerplatz selbst. »So bunt wie das Viertel, so vielfältig sind seine Akteure«, fasst Wucher zusammen. Der »Streifzug Gärtnerplatz« findet am Mittwoch, 4. Juli, von 17.00 bis 18.30 Uhr statt, Treffpunkt am Brunnen. Im Anschluss ist dann von 18.30 bis 20.00 Uhr die Vernissage »Blickwinkel« im Café Crème an der Reichenbachstraße 24. Anmeldungen unter streifzug.gaertnerplatz@googlemail.com. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 26.06.2012
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