Seltsamer Protest gegen legendären Fußballverein SpVgg Haidhausen

München/Giesing · Fußball raus aus dem Viertel?

Fußballheimat für aktuell fast 300 Jugendliche: Hier lernte auch Franz Beckenbauer seine Kunst. Mit solchen Parolen versucht ein Unbekannter, die legendäre SpVgg 1906 zu bekämpfen. Fotos: ff

Fußballheimat für aktuell fast 300 Jugendliche: Hier lernte auch Franz Beckenbauer seine Kunst. Mit solchen Parolen versucht ein Unbekannter, die legendäre SpVgg 1906 zu bekämpfen. Fotos: ff

München/Giesing · Vor dem Tor zum Platz sitzen ein paar Buben, die Vier- und Fünftklässler spielen emsig um Sammelkarten von internationalen Fußballstars. Zwei Gegner legen je eine Karte verdeckt aufeinander, dann klatschen sie mit der flachen Hand darauf – wendet sich das Blatt, dann gehört der kleine Stapel dem Gewinner.

Immer mehr Buben kommen aus dem Tor und gruppieren sich um die kleinen Zocker. Sie kommen vom Fußballtraining und bilden eine der 16 Jugendmannschaften der Spielvereinigung 1906 Haidhausen. Hier lernte schon einer der bekanntesten Fußballer der Welt die große Kunst mit dem Ball: Franz Beckenbauer wuchs in direkter Nachbarschaft an der Zugspitzstraße auf.

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Neben dem Tor zu einem der wichtigsten Münchner Fußballvereine trübt eine Tafel das sportliche Idyll. Wo sonst Platz für Plakate sein soll, bewirken nun dicke gelbe Lettern verstörte Blicke bei Passanten. Von Fußball-Lärm ist die Rede, der raus aus Giesing soll, raus aus einem Viertel, das wie kein zweites in München für Fußball steht. Dazu hat der nächtliche Parolenschreiber dicke Kreuze gepinselt, die an kaum etwas anderes als an Tod denken lassen. Insgesamt vier solcher Drohbotschaften finden sich rings um den Platz zwischen der Grundschule an der Sankt-Martin-Straße und dem Ostfriedhof.

„So etwas ist völlig neu, das macht mir schon Sorge“, sagt der Leiter des Sportamts der Stadt München, Rudolf Behacker, der vom Münchner SamstagsBlatt von den Vorgängen in Giesing erfahren hat. Die Stadt ist Eigentümer des Platzes und stellt ihn der SpVgg 1906 zur Verfügung, und ihr oberster Sportverantwortlicher hat diese Form des Protests gegen eine Freizeiteinrichtung Hunderter Menschen in seiner ganzen langen Amtszeit noch nicht beobachtet. „Das sind gesellschaftliche Entwicklungen, die einen wachsam halten sollten“, so Behacker. Beschwerden über die Geräusche von Balldribbeln, Bolzen oder Kinderjubel auf Sportplätzen gebe es zwar immer mal wieder, juristisch aber sei die Sache einwandfrei geklärt. Es gibt eine Bundesverordnung über zulässige Geräuschpegel und Zeiten, und daran hielten sich die Vereine auch. Im Zweifel messen die Behörden, ob es in der Wohnung eines Menschen, der sich gestört fühlt, tatsächlich zu laut sei.

Bei der SpVgg 1906 Haidhausen gibt sich der Kreis des Vorstands bedeckt. Zwar wisse man von einem einzigen Beschwerdeführer, der noch nicht einmal in direkter Nachbarschaft, sondern einen großen Block weiter wohne. Er sei seit einem halben Jahr aktiv – und zu einem Gespräch offenbar nicht bereit. Mehr wolle man dazu vorerst nicht sagen. Nur so viel noch: „Hier spielen und trainieren fast 300 Jugendliche aus dem Viertel, einige ganz umsonst, weil ihre Familien kaum über die Runden kommen. Uns gibt es hier seit mehr als Hundert Jahren. Unsere Trainer opfern sich auf und zahlen nach dem Training sogar oft noch das Limo.“

Der Technische Leiter des Fußballvereins, der 2008 aus der Fusion des angestammten SC 1906 mit dem FC Haidhausen hervorging, wird deutlicher. Ronald Müller hängt gerade die Pläne der kommenden Spiele auf. Angesprochen auf die Parolen entzündet sich sein Ärger: „Ich weiß nicht, wer das macht, aber es ist Sachbeschädigung. Eigentlich eine Straftat, die bei der Polizei angezeigt gehört.“ Schon zwei oder drei Mal habe man die Sprüche mühevoll weggeputzt. Und ein paar Nächte später waren sie wieder da.

Der maßlose Ärger über das sportliche Herz des Viertels scheint ein Einzelfall, nichts deutet darauf hin, dass die Stimmung sich in der Gegend östlich der Tegernseer Landstraße wendet wie das Blatt einer Fußballerkarte. Wen das SamstagsBlatt auch gefragt hat, ob in der Schneiderei an der Watzmannstraße oder beim Schuster in der Zugspitzstraße: Kopfschütteln, nein, von Ärger wisse man gar nichts, auch bei keinem Kunden, der Verein gehöre ins Viertel, fertig. Eine Lehrerin, die gerade ihre Schuhe von der Reparatur holt, möchte sogar das Pfeifen der Schiedsrichter nicht missen, das an den Spieltagen regelmäßig durchs Karree hallt: „Das erinnert einen so schön daran, dass Sonntag ist!“ Von Florian Falterer

Artikel vom 11.05.2012
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