Moosacher Projektchor entdeckt die Moritat

Moosach · So richtig schön schauderlich

»Ich weiß nicht, was soll es bedeuten.« Auch das alte Lied von der Loreley	 wurde wieder lebendig bei der Premiere im Pelkovenschlössl.	Foto: VA

»Ich weiß nicht, was soll es bedeuten.« Auch das alte Lied von der Loreley wurde wieder lebendig bei der Premiere im Pelkovenschlössl. Foto: VA

Moosach · Viele wollten noch hinein gelassen werden ins ausverkaufte Bürgerhaus Pelkovenschlössl, so sehr fieberten die Moosacher dem Bürgerprojekt »Publikum, vernimm die Schaudergschicht« entgegen. Und mit Recht: Was 24 Laien als Moritatenpremiere auf die Bühne stellten, war staunenswert.

Unter der Leitung der von ihren Fans als charismatisch bezeichneten Rose Bihler Shah erklang ein Gesamtkunstwerk über die »letzten Dinge des Lebens«, wie Kommentator Gert Holzheimer erklärte, der vielfach preisgekrönte Experte für bayrische Literaturgeschichte und Volkskunde.

Das Publikum lachte, klatschte und sang

Holzheimer musste es also wissen, und er führte auch aus, wie sehr die Kunstform der Moritat vergessen war in den vergangenen hundert Jahren. Zu Unrecht, wie das Publikum bewies, indem es gern laut lachte, oft auch nachdenklich schmunzelte und zum Schluss begeistert mitklatschte und sang. Denn: Die Spannungen des Lebens lassen sich am besten mit Humor ertragen. In der bayrischen Vergangenheit wurden sie traditionell mit lakonischen Witzen, mit Paradoxien à la Karl Valentin und einer alltagsgegerbten Derbheit bewältigt. Gert Holzheimer breitete diese Lebensart aus mit einer Fülle an skurrilen Formulierungen – von der Kontaktanzeige bis zum Sterbemarterl.

Die Moosacherin Rose Bihler Shah präsentierte ihre Wiederentdeckung klassischer Moritaten, die von Tantenmördern, Weißwürschten und gebrochenen Herzen berichten. Vor stilvoll dramatisierenden Schautafeln sangen Bauersfrauen, Metzgerinnen und Knechte von Schauder, Wonne und Moral. Ein an Emotionen reiches Duell zweier Tenöre rundete das Spektakel ab. Gerade bei den gekonnt vorgetragenen Soli von Rose Bihler Shah erstrahlte die Meisterschaft ihres Begleiters Ernst Schwindl an der Drehleier. Als die Sopranistin mit einem Wedekind-Song brillierte, begleitete sie der Mittelalter-Spezialist einfühlsam an der maßgefertigten Drehleier.

Selbstheilungskraft der Bayern

Mit wenigen Halbtönen erzeugte Ernst Schwindl den Charakter der einzelnen Darbietung. So begleitete er den Chor minimalistisch zurückhaltend, aber mit seiner ganzen Aufmerksamkeit. Ein gelungener Abend also in seiner prallen Präsenz und Spontaneität, mit seiner überbordenden Lebensfreude, der die Selbstheilungskräfte der Bayern eindrucksvoll bewies. Freude, Jubel und fünffacher Applaus für die kreativen Moosacher.

Artikel vom 07.03.2012
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