Jugendliche präsentieren ihren Weg aus Hartz 4 bei JOBTrain Junior

Ramersdorf/Perlach · Bleibe nicht daheim und werde dumm...

Die Jugendlichen bewirteten die Gäste des Abends selbst.	Foto: Privat

Die Jugendlichen bewirteten die Gäste des Abends selbst. Foto: Privat

Ramersdorf/Perlach · »Bleibe nicht daheim und werde dumm, sondern tu was für Dich – bring die Zeit mit JOBTrain Junior rum.« Das selbst formulierte Motto präsentierten zwölf Jugendliche im Hartz Vier-Bezug aus Ramersdorf-Perlach am 1. Juni ihren Arbeitsvermittlern sowie Führungskräften des betreuenden Jobcenters.

Die Abendveranstaltung bei IBPro e.V. in der Rosenheimer Straße zeigte den 20 Gästen das Projekt aus der Sicht derjenigen, für die es gemacht ist – den 16- bis 24-Jährigen so genannten schwer integrierbaren Jugendlichen. Und es gab sogar noch einen Überraschungsgast, der zum Gelingen der Veranstaltung einen großen Beitrag leistete.

»Herzlich Willkommen meine Damen und Herren, mein Name ist Mustafa und ich stelle Ihnen jetzt unsere Ziele vor.« So begann die Eingangspräsentation der Jugendlichen und so höflich und professionell ging es weiter. Zugetraut hatte Ihnen das vorher fast niemand, denn die Jugendlichen des Projekts bringen viele verschiedene Probleme mit: Sie haben Schulden, sind von Wohnungslosigkeit bedroht, sind wegen Schulabbrüchen und instabilen familiären Hintergründen aufgefallen. »Hoffnungslose Fälle?« Miriam Göbel, Kursleiterin von JOBTrain Junior, sieht das anders: »Die Jugendlichen haben noch nie erlebt, dass ihnen jemand etwas zutraut. Wir machen das – und die Jugendlichen wachsen über sich hinaus.«

Zum Ende der Präsentation werfen die Teilnehmer Zitate an die Wand: JOBTrain Junior aus Sicht der Jugendlichen – das ist für Miroslav, der mit 12 Jahren ohne Deutschkenntnisse aus Tschetschenien kam, eine Motivationshilfe: »Ohne JOBTrain Junior würde ich nur zu Hause sitzen und das Bewerben vernachlässigen«. Carsten, der aus einem schwierigen Elternhaus kommt und dem die Perspektive fehlte, sieht es so: »Ich schaue mir verschiedene Berufe an, erforsche und entdecke meine Fähigkeiten und Interessen.« Und Mezut, der auf einem guten Weg war, bis sein Ausbildungsbetrieb pleite machte, sieht es pragmatisch: »Ich finde es besser, wenn der Arbeitgeber den Lebenslauf liest und darin steht, dass ich zu JTJ gehe. Das ist besser, als wenn da nichts steht.«

Zum Abend gehört außerdem ein Kreuzworträtsel über Ramersdorf-Perlach, das alle »Erwachsenen« lösen sollten. Schließlich gibt es nicht nur Probleme in dem Stadtteil, sondern auch Sehenswürdigkeiten wie etwa das Trambahnmuseum oder St. Maria Ramersdorf, eine der ältesten Wallfahrtskirchen Bayerns. »Es nervt, wenn ich mich immer rechtfertigen muss für meinen Stadtteil – es gibt auch viel Schönes hier«, so Mustafa, der seit drei Monaten mit dabei ist. Auch das Catering ist selbst gemacht. Denn die Jugendlichen sollen ihre Fähigkeiten auch praktisch anwenden: Im Hauswirtschaftsunterricht, im Sport, bei Outdoor-Veranstaltungen u.a. Aber auch andere Inhalte spielen eine große Rolle: Mathematik, Englisch, Allgemeinwissen, Deutsch und ganz besonders wichtig sind die sozialen Kompetenzen, der angemessene und passende im Umgang mit anderen Menschen in den verschiedensten Arbeits- und Alltagssituationen.

Steffi Makris kennt JOBTrain Junior und kennt die Situation ihrer »Kollegen« genau. Sie ist der Überraschungsgast des Abends. Ausgerechnet am Tag der Präsentation steht sie in Miriam Göbels Büro: »Ich habe es geschafft! Ich habe eine Lehrstelle in einer Anwaltskanzlei gefunden. Vielen Dank, Frau Göbel, dass Sie so an mich geglaubt haben!« Spontan war die 21-Jährige bereit, am Abend den Gästen ihren Weg zu präsentieren – ein typischer Weg für die Teilnehmer von JOBTrain Junior.

Drei Lehrstellen brach sie wegen »Stress mit dem Chef« ab, Schulden häuften sich, Wohnungslosigkeit drohte. Dann schickte sie ihre Arbeitsvermittlerin zu JOBTrain Junior. »Natürlich hatte ich erst mal keinen Bock. Ich wusste ja nicht, was auf mich zukommt.« Erst langsam öffnete sie sich und konnte durch JOBTrain Junior eine Perspektive entwickeln. Jetzt hat sie ihre finanziellen Dinge im Griff, ist stolz auf ihre Ausbildung. »Steffi war auch bei JOBTrain Junior erst mal schwer zu integrieren, wir haben miteinander gekämpft, aber irgendwann hat sie gemerkt, dass wir ihr etwas zutrauen und mit ihr an ihrer Zukunft arbeiten. So konnte sie auch wieder selbst an ihre Fähigkeiten glauben«, berichtet Göbel. JOBTrain Junior ist eine berufsorientierende Maßnahme, für Jugendlichen unter 25 Jahren, die den Weg von der Schule in die Arbeitswelt noch nicht geschafft haben. Das Projekt wird dezentral durch die Bundesagentur für Arbeit gefördert und ist für junge Menschen aus Ramersdorf-Perlach, die im Hartz IV-Bezug leben. Eine Chance für den richtigen Weg.

Artikel vom 13.06.2011
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