Veröffentlicht am 06.11.2020 06:53

Erotik, Ökonomie, Politik – Ödön von Horváth

Schauplätze von Ödön von Horváths Literaturwelten sind in der Ausstellung sehr anschaulich zu sehen: etwa „Oskars gediegene Fleischhauerei“. (Foto: KHM-Museumsverband)
Schauplätze von Ödön von Horváths Literaturwelten sind in der Ausstellung sehr anschaulich zu sehen: etwa „Oskars gediegene Fleischhauerei“. (Foto: KHM-Museumsverband)
Schauplätze von Ödön von Horváths Literaturwelten sind in der Ausstellung sehr anschaulich zu sehen: etwa „Oskars gediegene Fleischhauerei“. (Foto: KHM-Museumsverband)
Schauplätze von Ödön von Horváths Literaturwelten sind in der Ausstellung sehr anschaulich zu sehen: etwa „Oskars gediegene Fleischhauerei“. (Foto: KHM-Museumsverband)
Schauplätze von Ödön von Horváths Literaturwelten sind in der Ausstellung sehr anschaulich zu sehen: etwa „Oskars gediegene Fleischhauerei“. (Foto: KHM-Museumsverband)

Die Theaterwissenschaftlerin Anette Spieldiener heißt an den Sonntagen 29. September sowie am 13., 20. und 27. Oktober jeweils um 12.30 Uhr zu offenen Führungen in der kreativen Ödön von Horváth- Ausstellung des Deutschen Theatermuseums München willkommen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Karten zu 9 Euro pro Person gibt es ca. 10 Minuten vor Führungsbeginn im Foyer des Museums, Galeriestraße 4a (nördliche Arkaden des Hofgartens).
Vor 100 Jahren, im Herbst 1919, zieht Ödön von Horváth (1901-1938) nach München. An der LMU schreibt er sich für Theaterwissenschaft und Germanistik ein. Schon die Anregungen und Erfahrungen seiner Studienzeit liefern Stoff für seine Werke. Umso mehr später die Beobachtungen der Menschen in Murnau, wohin Horváth zwischen 1924 und 1933 seinen Hauptwohnsitz verlegt. Er studiert Verhaltensweisen der Schicht, die den raschen Aufstieg des Nationalsozialismus befördert. Der Wirtshaustisch wird sein Schreibtisch. Er hört den Menschen zu und macht seine Notizen. Das Prinzip „Zettelkasten“ ist seine Arbeitsmethode. Auf losen Papieren finden sich Titel, Konzepte und Dialogfetzen, die er später ausarbeitet. Bald wird Horváth zu einem Dialektspezialisten, der die Sprachformen verschiedener Schichten nuanciert unterscheiden kann. Viele Stücke und Prosaskizzen wurzeln in Beobachtungen, Erlebnissen und Notizen seiner Murnauer Jahre. Das gesammelte Material fließt ein in seine berühmten Volksstücke „Italienische Nacht“ (1930), „Geschichten aus dem Wiener Wald“ (1931) und „Kasimir und Karoline“ (1932), die in der Ausstellung im Münchner Theatermuseum im Zentrum stehen.
Die Theaterhistorikerin Anette Spieldiener wartet bei ihren Sonntagsführungen in der Ausstellung „Ödön von Horváth und das Theater“ auch mit eigenen Forschungen zum Kuraufenthalt Horváths genau vor 100 Jahren im Sommer 1919 in Bad Reichenhall auf. Ein Exponat der Ausstellung hatte hierzu ihr Interesse geweckt: Horváths in der Forschung bereits viel beachtetes Einbürgerungsgesuch aus dem Jahr 1927, auf dem als einer seiner Aufenthaltsorte Bad Reichenhall Erwähnung findet. Im Bayerischen Hauptstaatsarchiv fand Anette Spieldiener ein bisher unbekanntes Dokument, wodurch der Aufenthalt in der Kurstadt näher beleuchtet werden kann.
Themenschwerpunkt der Führungen sind aber die Theatertexte, anhand derer die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum einen in Horváths Biographie eintauchen, die Anette Spieldiener mit zahlreichen Zitaten lebendig vor Augen führt. Die Stücke zeigen aber auch, dass Horváth mit der immer wieder auftauchenden und schon von den Zeitgenossen wahrgenommenen Verkettung von Erotik, Ökonomie und Politik treffend die gesellschaftliche Situation der 1920er und 1930er Jahre analytisch spiegelt. Die von Horváth herauskristallisierten Mechanismen gehören jedoch keineswegs in die Mottenkiste! Schon das Theater der sechziger und siebziger Jahre entdeckte Horváths Bühnenkosmos neu als Reflexionsraum. Blickt man auf die heutigen gesellschaftlichen Bruchlinien, könnte das Werk dieses spannenden Schriftsteller aktueller nicht sein — für die Lektüre wie für das Theater.
Die Ausstellung "Ödön von Horváth und das Theater" im Deutschen Theatermuseum in der Galeriestraße 4a in den Hofgartenarkaden) ist noch bis 17. November 2019 zu sehen.

Öffnungszeiten des Museums: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 16 Uhr. Es gibt auch regelmäßig Führungen. Schulklassenführungen werden vom MPZ angeboten unter www.mpz.bayern.de

north