Aufnahme für minderjährige Flüchtlinge gestoppt

München · Dramatische Zustände

Elisabeth Ramzews betreut die Flüchtlinge. 	Foto: Privat

Elisabeth Ramzews betreut die Flüchtlinge. Foto: Privat

München · Die Situation für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge in München spitzt sich immer mehr zu. Die Erstaufnahmeeinrichtung hat die Kapazitätsgrenzen bereits um ein Vielfaches überschritten. Rudolf Stummvoll, stellvertretender Leiter des Amtes für Wohnen und Migration, bestätigt, dass „es sich um eine große Gruppe an minderjährigen Flüchtlingen handelt“, die dort zur Zeit untergebracht sind. Die Aufnahme der insbesondere afghanischen Jugendlichen wurde daher Anfang März gestoppt.

Neue Flüchtlinge aus der genannten Krisenregion werden seitdem weiter nach Zirndorf oder Karlsruhe geleitet. Grund für die Umverteilung ist der Königssteiner Schlüssel, ein Instrument nachdem die Asylsuchenden innerhalb der Bundesrepublik Deutschland auf die Bundesländer verteilt werden.

Starke Zunahme von jungen Flüchtlingen

Zur Zeit leben über sechzig – meist männliche – Jugendliche in der Einrichtung, die ursprünglich auf 20 Personen ausgelegt war. Die meisten von ihnen kommen aus der Krisenregion rund um Somalia. Elisabeth Ramzews, Dienststellenleiterin der Erstaufnahmeeinrichtung für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge, weist generell auf eine dramatische Zunahme von jungen Flüchtlingen in den letzten zwei Jahren hin. Trotz der Verdopplung an Fällen im vergleichbaren Zeitraum, stünden aber keine zusätzlichen Mitarbeiter zur Verfügung, was die Situation besonders erschwere. Zwar prüfe die Regierung und das Staatsministerium zur Zeit eine eigene Unterbringungsmöglichkeit für minderjährige Flüchtlinge, doch seien diese Schritte noch nicht abgeschlossen. Noch sind sie zusammen mit allen anderen ankommenden Flüchtlingen in der Einrichtung untergebracht.

Die zum Teil schwerst traumatisierten Jugendlichen wurden bisher von einer Psychologin im Haus betreut. „Die Mitarbeiterin hat desaströse Fälle bei den Jugendlichen aufgedeckt“, so Ramzews. Wie sie aus Gesprächen erfahren habe, würden die Taliban auch als Schleuser in Erscheinung treten, um an finanzielle Mittel zu kommen. Viele Jugendliche hätten abenteuerliche und gefährliche Reisen hinter sich, bis sie auf sicherem Boden landen. Ab August könnte es vorbei sein mit der psychologischen Unterstützung der Halbwüchsigen in der Einrichtung.

Da es sich nur um eine von Stiftungsmitteln zeitlich begrenzt finanzierte Stelle handelt, ist die Zukunft ungewiss. „Wir hoffen, dass wir Gelder akquirieren können, damit eine hauptamtliche Psychologin für die unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlinge eingestellt werden kann“, wünscht sich Ramzews. Doch damit alleine ist es nicht getan. Auch stünden in München nicht genügend Jugendhilfeplätze wie betreute Wohngruppen zur Verfügung, in denen die Minderjährigen nach ihrem Aufenthalt im Ankunftslager wechseln können. „In der Regel bleiben sie drei Monate in der Aufnahmestelle. Zur Zeit bleiben sie weitaus länger, weil keine Plätze im Anschluss zur Verfügung stehen“, beschreibt Ramzews die prekäre Situation.

Missachtung von Menschenrechten

Nils Espenhorst, Projektleiter beim Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e.V. spricht von einer „Missachtung grundlegender Menschenrechte“. „Es geht um landespolitische Interessen, die auf dem Rücken von jungen Flüchtlingen ausgetragen werden“. Nirgends sei die Situation so undurchsichtig und aufgrund der vielen, beteiligten Akteure intransparenter als in München, beklagt Espenhorst. Von Sofia Delgado

Artikel vom 20.05.2010
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