Blitzer in Trudering: Abzocke oder Unfallschutz?

Trudering · Bitte schön lächeln

Seit Januar sollte man an der Ecke Wasserburger Land-/Ecke Bajuwarenstraße gesittet fahren, sonst blitzt es.	Foto: ikb

Seit Januar sollte man an der Ecke Wasserburger Land-/Ecke Bajuwarenstraße gesittet fahren, sonst blitzt es. Foto: ikb

Trudering · Die meisten merken es erst beim Leeren des Briefkastens, wenn sie einen hellgrauen Briefumschlag in Händen halten: Sie sind geblitzt worden. »Nicht angepasste Geschwindigkeit«, so das Amtsdeutsch, und/oder Missachtung des Rotlichts der Ampel – diese Erfahrung machen immer mehr Truderinger, Haarer und Pendler an der Kreuzung Wasserburger Land-/Bajuwarenstraße. Am 26. Januar wurde die stationäre Anlage installiert, bis 22. März – also innnerhalb von zwei Monaten – wurden 1566 Rotlicht- und 1136 Tempoverstöße registriert.

Günter Götz von den Sozialdemokraten stellte bei der Februar-Sitzung im Bezirksausschuss (BA) Trudering-Riem die Anfrage, wer die Anlage in Auftrag gegeben, wer sie bezahlt hat und wie die ersten Ergebnisse ausgefallen sind. Erst jetzt nannte das Kreisverwaltungsreferat die Zahlen und das Polizeipräsidium München als Auftraggeber. Die Kosten indes wurden bei der Sitzung nicht angeführt. Diese nannte Polizeidirektor Johann Gschoßmann, Leiter der Verkehrsabteilung: »Je nach Standort der Anlage fallen bis zu 100.000 Euro für Beschaffung und Installation an. Weitergehende Personalkosten für die Auswertung und die Instandhaltung sind noch nicht beinhaltet«. Und: »Alle Einnahmen aus Bußgeldverfahren, deren Einleitung die Polizei veranlasste, werden durch das Bayerische Finanzministerium vereinnahmt«.

Warum wurde nun gerade in Trudering – neben der Anlage in der Dachauer-/Max-Born-Straße die zweite fest installierte kombinierte Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachung in der Landeshauptstadt – aufgestellt? Es ist das Ergebnis einer umfangreichen Untersuchung zu Verkehrsunfällen. Entsprechende Häufungen gibt es zwar an mehreren Kreuzungen in München, für den Betrieb eines »grauen Kastens« sind jedoch so genannte »kreuzungsgeometrische Voraussetzungen« erforderlich. Diese sind an der »Wasserburger Landstraße gegeben. »Aus diesen Gründen wurde der Standort gewählt«, wie Gschoßmann erläuterte. Seinen Angaben zufolge befindet sich »die einzige stationäre Tempoüberwachung im Richard-Strauss-Tunnel«. Dort stellte ein Autofahrer einen Rekord auf – mit 146 km/h war er 86 Stundenkilometer zu schnell gewesen.

Führt man sich ein paar Zahlen zu Gemüte, verblassen Stammtischfloskeln wie »Kavaliersdelikt« oder »Abzocke«: Mehr als 2,6 Millionen Verkehrssünder hat die Polizei in Bayern im vergangenen Jahr erfasst, 900.000 erhielten einen Bußgeldbescheid, knapp 84.000 ein Fahrverbot, 768 Menschen kamen bei Unfällen ums Leben. In der Landeshauptstadt hat es zwar weniger oft gekracht als noch 2008, registriert wurden immerhin noch 47.220 Unfälle. 799 Personen wurden schwer verletzt, 30 Menschen getötet. Große Sorgen bereitet der Polizei der Seniorenanteil unter den Opfern, die ums Leben kamen: Mehr als die Hälfte davon war im Rentenalter – allerdings hatten 60 Prozent von ihnen den tödlichen Unfall selbst verursacht.

Zu hohe Geschwindigkeit war bei mehr als 630 Unfällen die Ursache – das ist eine Zunahme von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch die Zahl der Fahrten in München unter Alkoholeinfluss erschreckt: 4.677 Fälle wurden erfasst. An den beiden Rotlicht-Überwachungsanlagen in München mussten vergangenes Jahr 7.964 Verstöße geahndet werden. Zusammenfassend haben bundesweit die Kontrollen durch stationäre und mobile Tempomessungen ein Gutes bewirkt: Die Unfallraten sind rückläufig. Dennoch tragen Tempoverstöße zu etwa 25 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden und zu rund 50 Prozent aller Unfälle mit Todesopfern bei.

Angesichts dieser Fakten ­treten die »Einnahmen« in den Hintergrund. Fachleute schätzen die durchschnittliche Einnahme pro Rotlicht- und pro Temposünder auf jeweils rund 50 Euro. An der Kreuzung Wasserburger Land-/Bajuwarenstraße dürften hochgerechnet aufs Jahr rund 15.000 Verstöße geahndet werden – 75.000 Euro für den Freistaat. Ikb

Artikel vom 27.04.2010
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