Streichkonzert für schlecht besuchte Vorstellungen

Taufkirchen · Rotstift ansetzen

Bei Musical-Aufführungen ist das Kulturzentrum im Ritter-Hilprand-Hof gut besucht, Streichquartette kommen hingegen nicht besonders an. Hier soll in Zukunft verstärkt der Rotstift angesetzt werden.	Foto: Schunk

Bei Musical-Aufführungen ist das Kulturzentrum im Ritter-Hilprand-Hof gut besucht, Streichquartette kommen hingegen nicht besonders an. Hier soll in Zukunft verstärkt der Rotstift angesetzt werden. Foto: Schunk

Taufkirchen · Selten waren die Taufkirchener Haushaltsberatungen von solchen Turbulenzen begleitet: Mit Ach und Krach ist der Verwaltungshaushalt verabschiedet worden, der Vermögenshaushalt indes steht noch immer auf der Kippe. Trotz mehrerer Sitzungen konnte sich das 24-köpfige Gremium nicht dazu durchringen, das Gesamtpaket in Höhe von 49,3 Millionen Euro abzusegnen. Um eine Mehrheit für den Haushaltsvorschlag der Gemeindeverwaltung zu erlangen, war zuvor ein »Streichkonzert« bei den Ausgaben nötig.

Doch wo den Rotstift ansetzen? Zu den Leidtragenden wird auf jeden Fall die Kultur gehören. So kündigte Bürgermeister Jörg Pötke (ILT) an, dass er Veranstaltungen mit einem geringen Besucheraufkommen aller Voraussicht nach heuer nicht mehr ins Programm aufnehmen wird. Dazu gehören vor allem von Profis bestrittene klassische Konzertabende mit zum Teil »sündteuren Gagen«. Kommunale Ausgaben, die wegen der ausbleibenden Rendite den Nutzen nicht widerspiegeln, wie es das Gemeindeoberhaupt sieht. So hätten die Erfahrungen gezeigt, dass etwa bei der Aufführung von Streichquartetten die Resonanz im Ritter-Hilprand-Hof überaus dürftig gewesen sei: »Wenn in einem Raum, in den mehrere Hundert Menschen passen, nur 20 zuhören, dann ist das doch für alle Beteiligten peinlich.«

Die geografische Nähe Taufkirchens zur Landeshauptstadt und Kulturmetropole München mit dem Gasteig als Publikumsmagnet wirke sich ebenfalls nachteilig aus. Die Verluste hingegen, die die Gemeinde zu stemmen habe, seien immens: So habe man 2008 knapp 520.000 Euro für diesen Bereich zuschießen müssen. An dem Kulturauftrag der Gemeinde wolle man zwar keinesfalls rütteln, auf Biegen und Brechen werde man ihn aber auch nicht länger – wie bisher – durchsetzen, sondern ihn vielmehr maßschneidern. »Mein Bemühen liegt darin, zusammen mit der neuen Kulturamtsleitung die bislang niemals hinterfragte Verwaltungsstruktur bedarfsgerecht zu konzipieren, um die immer größere Schere zwischen Aufwand und Ertrag zusammenzuführen«, erläutert Pötke und fordert, die Kultur nicht länger zu einem »Tabuthema« zu machen.

Gespräche mit den Konzertagenturen seien bereits im Gang. Gestärkt werden soll alles, »was das Hachinger Tal nachfragt«, also Brauchtum und Konzerte, die von lokalen Ensembles aufgeführt werden. Pötke verweist auf den Erfolg der Aufführung von Mozarts Requiem im Herbst vergangenen Jahres: Brechend voll war der Saal, als die Kirchenchöre von St. Georg und der Jerusalemkirche zusammen mit der Taufkirchener Musikschule diese Musik spielten. Kein Profi-Ensemble hätte diese Massen zusammengebracht, ist der Rathauschef übrigens sicher.

Während in diesem Punkt große Einigkeit herrscht, gab es Streit vor allem um die Bedeutung der Rücklagen: Der Haushaltsansatz von Bürgermeister Jörg Pötke (ILT) sieht vor, aus diesem Topf zehn Millionen Euro für Projekte zu reservieren – auch dann, wenn deren Abwicklung nicht im laufenden Jahr getätigt werden kann. Die anderen Fraktionen bewerten diese Vorgehensweise als unseriös: »Für mich ist diese Haushaltsplanung nichts Realistisches«, kritisierte Alfred Widmann (SPD) auf der jüngsten Hauptausschuss-Sitzung mit Blick auf das Gesamtvolumen der Rücklagen in Höhe von 22 Millionen Euro.

Wie auch CSU-Sprecher Herbert Heigl forderte er den Bürgermeister auf, sich darüber Gedanken zu machen, an welchen Stellschrauben im Haushalt exakt gedreht werden müsse, um zu einer »realistischen« Entnahme aus dieser Geldquelle zu gelangen – nämlich in Höhe von zwölf Millionen Euro, also abzüglich der zehn Millionen Euro, die Pötke zusätzlich aus diesem Topf reservieren will. Der Rathauschef hingegen verwies auf die Dringlichkeit anstehender Baumaßnahmen wie der Neubau der Realschule und der Turnhalle in Höhe von knapp 40 Millionen Euro. Zudem stünden noch finanzielle Verpflichtungen aus den Vorjahren an, rechtfertigte er den Schritt: »Die vorgeschlagene Höhe resultiert fast ausschließlich aus Fakten, die der Gemeinderat geschaffen hat«, sagte Pötke und rechnete vor, dass sich alleine 18 Millionen Euro aus der »Umsetzung der gesamten Bandbreite von einvernehmlich besprochenen Anschaffungen« ergäben. »Bei deren Nicht-Einhaltung sind erhebliche Schäden für die Gemeinde zu erwarten.« Zudem hob er hervor, dass das Geld »genau so auf der Bank liegt und Zinsen abwirft«, ob man die Rücklagen nun benötige oder nicht.

Die Opposition hingegen blieb bei ihrem ablehnenden Votum: »Das geht so nicht. Wenn jemand im Betrieb so wirtschaftet, fliegt er sofort raus«, monierte Heigl. Auch auf einer zusätzlich anberaumten Bauausschuss- und einer anschließenden Gemeinderatssitzung, in denen jede Investition anhand einer von Pötke erstellten Prioritätenliste auf Herz und Nieren abgeklopft werden sollte, konnte man sich nicht einigen.

Nur eines steht fest: Wegen der nach wie vor anhaltenden Weltwirtschaftskrise mit den für die Kommunen sich ergebenden, drastischen Einnahmeausfällen muss an allen Ecken und Enden gespart werden. mst

Artikel vom 16.03.2010
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