Klinikum Schwabing fürchtet rechtliche Probleme

München · Aus für Anonyme Geburt

Seit 2002 bot das Städtische Klinikum Schwabing die Anonyme Geburt an – doch damit soll jetzt Schluss sein. Aufgrund rechtlicher Bedenken hat die Klinikleitung nach einem Chefarztwechsel entschieden, dieses Angebot einzustellen. Bei einer Anonymen Geburt haben Schwangere in Notsituationen die Möglichkeit, ihr Kind mit ärztlicher Unterstützung in einem Krankenhaus auf die Welt zu bringen, ohne die eigene Identität zu offenbaren. Das Kind kann dann zur Adoption freigegeben werden.

Die Anonyme Geburt ist allerdings nicht klar gesetzlich geregelt. Durch das Personenstandsgesetz ist der Arzt verpflichtet, die vollständigen Personenangaben der leiblichen Eltern eines Neugeborenen dem Standesamt mitzuteilen. Das Gesetz sichert somit das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung. „Ein Verstoß dagegen ist eine Straftat. Und davor wollen wir unsere Mitarbeiter schützen“, sagt Reinhard Fuß, Geschäftsführer der Städtischen Klinik GmbH. „Uns sind die Hände gebunden.“

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Lydia Dietrich, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Münchner Stadtrat, setzt sich nun vehement dafür ein, dass das Angebot zur Anonymen Geburt im Klinikum Schwabing weiter aufrechterhalten bleibt. „Das Angebot richtet sich ausschließlich an Frauen in existenziellen Krisensituationen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr Kind ohne vermeidbare medizinische Risiken zur Welt zu bringen. Für solche Fälle muss eine Großstadt Vorsorge treffen, das Angebot ist daher unverzichtbar“, erklärt Dietrich. Mit einer Mehrheit von CSU, FDP, Grünen und der Linken hat der Gesundheitsausschuss des Stadtrats nun eine Empfehlung an die Städtische Klinik GmbH ausgesprochen, die Anonyme Geburt weiter anzubieten. Nur die SPD wollte sich dem nicht anschließen. „Wir sind der Meinung, dass das Thema grundsätzlich nochmal aufgearbeitet werden muss“, sagt SPD-Stadtrat Klaus-Peter Rupp. Eine Experten-Anhörung soll nun Aufschluss geben.

Das Angebot zur Anonymen Geburt wurde in den vergangenen Jahren eher selten genutzt. Genaue Zahlen liegen noch nicht vor, aber „es waren sicherlich nicht mehr als ein bis zwei Geburten im Jahr“, sagt Fuß. Für Lydia Dietrich ausreichend: „Jedes Kind, das somit gerettet werden kann, ist es wert. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Frauen in Notsituationen eine andere Lösung wählen. Daran möchte ich gar nicht denken.“

Die Einstellung des Angebots läuft einem Stadtratsbeschluss aus dem Jahr 2002 zuwider, der für Anonyme Geburt und Babyklappe in München ein Pilotprojekt vorsah. Die Babyklappe im Klinikum Schwabing wird es weiter geben. Denn hier kennt der Arzt im Gegensatz zur Anonymen Geburt die Mutter nicht und macht sich somit auch nicht strafbar.

Kein Verständnis für den Stopp des Angebots der Anonymen Geburt hat Justizministerin Beate Merk (CSU). Ärztliche Hilfe soll es auch für Frauen geben, die aufgrund einer extremen Notsituation nicht zu ihrem Kind stehen können, findet die Ministerin. „Wichtig ist, dass das Kind überlebt. Dafür müssen wir Sorge tragen.“ Den Bedenken der Klinikleitung entgegnete sie: „Wenn der Arzt die persönlichen Daten der Mutter nicht kennt, macht er sich nicht strafbar.“

Da dies juristisch nicht eindeutig geklärt ist, könnte einzig und allein ein Gesetz Abhilfe schaffen. Doch dafür gäbe es bisher keine Mehrheit, erklärt Merk. Nun hofft die Justizministerin, dass das Angebot zur Anonymen Geburt im Klinikum Schwabing auch ohne Gesetzesänderung weitergeführt wird. Dazu möchte sie demnächst ein Gespräch mit der Klinikleitung führen.

Ob das den Ärzten und Verantwortlichen des Klinikums Schwabing genügt, ist allerdings fraglich. Denn die Rechtsunsicherheit besteht ohne klaren Beschluss nach wie vor. „Dass die Justizministerin das Gesetz umgehen möchte, finde ich sehr merkwürdig“, sagt Reinhard Fuß. „Relevant wird es natürlich erst, wenn jemand klagt. Doch soweit möchten wir es nicht kommen lassen.“

Von Stefanie Moser

Artikel vom 18.02.2010
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