Einblicke in die Münchner Bahnhofsmission

München · Hilfe an Gleis 11

Die ehemalige zweite Bürgermeisterin, Dr. Gertraud Burkert, stellte den Kalender vor und begann sofort mit dem Verkauf. Foto:au

Die ehemalige zweite Bürgermeisterin, Dr. Gertraud Burkert, stellte den Kalender vor und begann sofort mit dem Verkauf. Foto:au

Ob ein Obdachloser einen heißen Tee und ein bisschen menschliche Wärme braucht, eine Frau in Not auf der Suche nach einem Schlafplatz ist oder ein älterer Herr beim Umsteigen unterstützt werden muss – die Türen der Münchner Bahnhofsmission stehen immer offen. 365 Tage im Jahr sind die Mitarbeiter dort rund um die Uhr im Einsatz, um hilfsbedürftigen Menschen zur Seite zu stehen.

Jetzt hat die Bahnhofsmission in München gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der kirchlichen Bahnhofsmissionen in Bayern erstmals einen Wandkalender aufgelegt. Der Kalender 2010 stellt mit zwölf ungewöhnlichen Motiven und Textausschnitten die Arbeit der Mission dar und gibt einen Einblick in das Leben der Missionsgäste. Münchens frühere zweite Bürgermeisterin, Dr. Gertraud Burkert, stellte den Kalender am vergangenen Montag, 21. Dezember, am Service-Point im Hauptbahnhof vor. „Das ist einfach ein tolles Projekt, das ich gerne unterstütze“, erklärt sie. Ihr Engagement kommt nicht von ungefähr. „Ich habe sowohl in meinem beruflichen, als auch in meinem privaten Leben viele gute Erfahrungen mit den Bahnhofsmissionen gemacht“, so Burkert.

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So habe sie in ihrer Zeit als Bürgermeisterin viel mit der Münchner Mission zusammengearbeitet und diese aktiv unterstützt, als die Deutsche Bahn das Missionsangebot in den 90er Jahren aus Prestigegründen einschränken wollte. „Und ich habe auch selbst schon mal die ein oder andere Nacht in einer Bahnhofsmission übernachtet“, erzählt sie. Denn während des Krieges sei es häufig vorgekommen, dass sie und ihre Familie mit dem Zug evakuiert werden sollten. Wenn dann plötzlich der Bombenalarm los ging, blieben die Züge oft mitten in der Nacht an unbekannten Orten stehen. „Die Mitarbeiter der Bahnhofsmission haben uns dann Zuflucht geboten“, erinnert ich die ehemalige Bürgermeisterin.

Die Münchener Bahnhofsmission gibt es seit 1897. Seit dem ist die ökumenische Einrichtung am Gleis 11 als Erstanlaufstelle für Menschen in Schwierigkeiten zur Stelle. Dabei ist sie sowohl für Bedürftige, als auch für Reisende da. So hilft sie alten Menschen, Behinderten oder Familien mit vielen Kindern und Gepäck beim Umsteigen am Bahnhof oder unterstützt Menschen, die auf ihrer Reise bestohlen wurden, mit einem Rückfahrticket. Den größten Teil der Arbeit macht jedoch die Betreuung von Menschen in sozialen Schwierigkeiten aus. „Wie bieten Beratungsmöglichkeiten für Obdachlose und psychisch Kranke an, verteilen dreimal täglich Tee und Brote und haben immer ein offenes Ohr für die Sorgen der Besucher“, erklärt Andrea Sontheim, eine der beiden Leiterinnen der Bahnhofsmission.

Denn oft brauchen die Menschen keine materielle Unterstützung, sondern wollen nur ein wenig menschliche Nähe, wenn sie sich vom Rest der Gesellschaft ausgestoßen fühlen. „Was uns auszeichnet“, so Sontheim, „ist, dass wir schnell und unbürokratisch helfen.“ Nicht selten bringe die Polizei deshalb mitten in der Nacht Frauen vorbei, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Sontheim: „Diese Frauen können bei uns schlafen, ohne das wir ihnen viele Fragen stellen oder sie Papierkram bewältigen müssen. Am nächsten Tag unterstützen wir sie dann bei der Suche nach eine Platz im Frauenhaus.“

Mit dem Jahreskalender wolle man auf die Arbeit der Mission und die Vielfältigkeit der Sorgen der Besucher hinweisen. Entstanden ist der Kalender im Rahmen des Kreativprojekts „Jetzt sind wir am Zug. Mit Kunst und Kreativität gegen soziale Ausgrenzung.“ Mit Schere, Stift und Kamera gingen Bahnhofsmissions-Besucher in sieben bayerischen Bahnhofsmissionen auf Entdeckungsreise, um ihr persönliches Lebensumfeld darzustellen. Der Kreativität waren dabei keine Grenzen gesetzt, entstanden sind viele kleine Kunstwerke. So verzierten und bemalten Gäste der Bahnhofsmission in Aschaffenburg gemeinsam mit Bürgern und Prominenten Stühle, die ihren persönlichen „Traumplatz“ im Leben darstellen sollen.

Besucher der Mission in Nürnberg wiederum arbeiteten mit Studenten der Akademie der Bildenden Künste an einem Fotoprojekt, das die Missionsbesucher als Astronauten darstellt, die sich wie schwerelose Raumfahrer in der Gesellschaft bewegen. Und auch die Münchener Missionsgäste waren aktiv und ließen ihrer Kreativität freien Lauf. Besonders beeindruckend: Die Arbeit eines Besuchers, der sein Zuhause fotografierte: Ein Zelt in einem Wald bei München, in dem er seit 1999 lebt.

Ziel des Projektes war es, die Missionsbesucher aus ihrem oft sehr tristen Alltag herauszureißen und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie etwas schaffen können. Hedwig Gappa-Langer, Referentin der katholischen Bahnhofsmissionen erklärt: „Viele der Missionsgäste haben keinen geregelten Alltag und haben oft seit Jahren nichts mehr mit eigenen Händen geschaffen.“ Ihnen habe man durch das Projekt zeigen wollen, wozu sie fähig sind. So sollte ihnen zu mehr Selbstbewusstsein und Motivation verholfen werden und gleichzeitig auch eine Brücke zwischen den Hilfebedürftigen und der Gesellschaft gebaut werden.

Den Kalender gibt es für fünf Euro in der Münchner Bahnhofsmission, direkt am Gleis 11. Der Erlös kommt der Mission zu Gute.

Von Sara Austen

Artikel vom 23.12.2009
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