Gemeinde uneins mit Sozialverbänden über Vorgehen

Ottobrunn · Obdachlosenmanagement

Ottobrunn · Die Gemeinde sieht keinen dringenden Handlungsbedarf, Wohlfahrts- und Sozialverbände wie die AWO und die Caritas hingegen schon: Die Ottobrunner Obdachlosenpolitik treibt einen immer größeren Keil zwischen das Rathaus und die einzelnen Interessensverbände. Auf der ersten Sitzung des Arbeitskreises Haidgraben im Wolf-Ferrari-Haus diskutierten rund 30 Vertreter verschiedener Gruppierungen über das künftige »Management« im Umgang mit wohnungslosen oder von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen, ohne sich auf eine Vorgehensweise zu einigen.

Immerhin: Dass so viele Teilnehmer an einen Tisch gebracht werden konnten, werteten alle als enormen Erfolg. Ins Leben gerufen wurde der Arbeitskreis, nachdem sich der Gemeinderat mit nur zwei Gegenstimmen darauf geeinigt hatte, das durch einen Brand schwer beschädigte »Haus für Wohnungsnotfälle« am Haidgraben 12 abreißen zu lassen. Wie dieses »Management« allerdings aussehen soll, daran scheiden sich weiterhin die Geister. Zwei konträre Positionen zeichnen sich dabei ab: Die Sozialverbände halten den bevorstehenden Abriss für einen Fehler und drängen darauf, geeignete Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und die Unterbringung an ein psychosoziales Betreuungsangebot zu koppeln. Vor allem Zweiteres müsse gegeben sein: »Obdachlose sind nicht in der Lage, sich selbst zu helfen. Sie benötigen fachmännischen Beistand«, betonte Thomas Duschinger von der Koordinationsstelle für Wohnungslosenhilfe. Die Gemeinde hingegen favorisiert mehr individuelle Lösungen und will keine Wohnungen oder Wohnkomplexe zur Verfügung stellen, die in irgendeiner Form zu einer sozialen Abschottung führen könnten. »Das Haus hat völlig unerträgliche Situationen geschaffen«, verteidigte Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) seinen Standpunkt. Er führte das Beispiel einer Familie an, bei der es offenkundig zu massiven Spannungen gerade wegen der beengten räumlichen Situation gekommen war. So habe sich der Sohn nicht aus der psychischen Abhängigkeit von seinem Vater befreien können, das ständige Aufeinandersitzen habe vielmehr zu einer Verschärfung der seelischen Konflikte geführt. Häuser, die von mehreren Obdachlosen genutzt werden, seien kontraproduktiv und könnten nicht Teil einer Lösung des Problems sein.

Überdies nannte der Ottobrunner Rathauschef die Diskussion um angebliche Fälle von akuter Wohnungsnot in der Gemeinde eine »Phantomdebatte«. Seit dem Brand des Hauses im April 2008 habe es lediglich drei Fälle von Obdachlosigkeit gegeben, alle hätten individuell gelöst werden können. »Ich erkenne das Problem nicht, wir haben diese Sache im Griff.« Dem hielten Duschinger und Michael Wüstendörfer vom AWO-Kreisverband München-Land entgegen, dass es »ganz schnell« zu gravierenden sozialen Schieflagen kommen könne. Wenn Familien infolge Arbeitslosigkeit des Vaters oder der Mutter die Miete nicht mehr bezahlen könnten, drohe »von heute auf morgen Obdachlosigkeit«, wie Duschinger warnte. Für solche Fälle müsse eine Gemeinde Wohnkomplexe parat haben. Mietverhältnisse in Sozialwohnungen könnten unbürokratisch und unverbindlich über spezielle Nutzungsverträge geregelt werden, erläuterte Wüstendörfer. Auch Christoph Nobs, Pfarrer der katholischen Kirche St. Magdalena in Ottobrunn, plädierte an die soziale Verantwortung der Gemeinde: »Die Arbeit mit den Armen konfrontiert immer mit realen Menschen. Das Thema Wohnungslosigkeit wird stärker auf die Tagesordnung kommen.« Sein evangelischer Amtskollege, Dekan Mathis Steinbauer von der Michaelskirche, betonte das christliche Gebot der Barmherzigkeit: »Zu den Leitlinien für diakonisches Handeln gehört ein Obdachlosenmanagement. Unser Maßstab sind die Taten der Liebe.«

mst

Artikel vom 16.12.2009
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