Work and Box Company bekommt Zertifikat

Taufkirchen · Weltbewegend gut

»Weltbewegendes« Projekt ausgezeichnet: (v. l.) Andreas Bayerle, Uwe Amrhein, Rupert Voß und Jürgen Zenkel.  Foto: Woschée

»Weltbewegendes« Projekt ausgezeichnet: (v. l.) Andreas Bayerle, Uwe Amrhein, Rupert Voß und Jürgen Zenkel. Foto: Woschée

Taufkirchen · Jetzt hat es Rupert Voß schriftlich, sein Projekt: die Work and Box Company, ist »weltbewegend« gut. Ein entsprechendes Zertifikat händigte ihm am vergangenen Freitag Uwe Amrhein von der Stiftung Bürgermut aus.

Die noch junge Stiftung bietet herausragenden sozialen Ideengebern die Möglichkeit sich und ihre Vision einer »besseren« Welt auf ihrer Internet-Plattform www.weltbeweger.de darzustellen, um andere zu inspirieren oder bei der Entwicklung eigener Projekte behilflich zu sein. »Bei uns geben herausragende Ideengeber Tipps und Ratschläge, schließlich muss man das Rad ja nicht jeden Tag neu erfinden«, erklärt Amrhein.

Der Kontakt zu Rupert Voß und seinem Team besteht schon seit mehr als zwei Jahren, als sich die Bürgerstiftung noch in ihrer Aufbauphase befand. »Die Work and Box Company ist so ein Projekt, weswegen wir diese Arbeit machen«, bekräftigt er sein Lob. Und die Zahlen, die Begründer Voß vorlegen kann, bestätigen dies.

14 gewaltbereite und vorbestrafte Jugendliche und junge Erwachsene werden von Voß und seinem Team betreut. Sie helfen ihnen, ihren Weg zurück ins Leben zu finden. Anders als in anderen sozialen Projekten ist der Ansatz, mit dem hier gearbeitet wird und der es schwer macht, genügend geeignetes Personal zu finden. »Wir akzeptieren die Jugendlichen so wie sie sind. Denn Akzeptanz ist die Grundlage jeder Beziehung und das, was wir hier leisten ist Beziehungsarbeit«, so Voß. Dazu gehört die Jugendlichen, die sonst wegen ihres aggressiven Auftretens aus jedem Schema fallen, einfach auszuhalten und gleichzeitig therapeutisch handlungsfähig zu bleiben. »Alle Jungen, die wir hier betreuen, sind als Kind Opfer von Gewalt in welcher Form auch immer gewesen«, erklärt Voß. Gewalt ist ihre Form, sich aus der Opferrolle zu befreien, dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden. Klingt einfach, ist aber in der Realität schwer. »Alle sind traumatisiert, befinden sich im Stadium der Beziehungslosigkeit, obwohl es genau das ist, was sie sich wünschen«, erklärt Sozialpädagoge Jürgen Zenkel. Auf die Frage, wo sie in fünf Jahren stehen möchten, würden alle Jugendlichen bei ihrer Aufnahme ins Projekt ohne Ausnahme betonen, dass sie dann ein geregeltes Leben führen wollen, eine Frau, Kinder und einen Job haben, berichten die Team-Mitarbeiter übereinstimmend.

Also heißt es für die Betreuer Beziehung aufbauen. In der Praxis bedeutet das, den Jugendlichen im Bedarfsfall nachzulaufen, wenn sie weglaufen, sie zuhause abzuholen, wenn sie nicht bei der Arbeit erscheinen und sie in ihrer Wut und Aggression auszuhalten, berichtet Sozialpädagoge und Streetworker Andreas Bayerle.

Wichtig ist aber auch, sie mit den Konsequenzen ihres Tuns zu konfrontieren. Ein wichtiger Teil der Arbeit im Team heißt Wiedergutmachung. Ganz konkret bedeutet das: Wer etwas kaputt macht, muss es auch wieder reparieren. Wer eine Wand beschmiert, muss sie streichen. Ein weiterer grundlegender Bestandteil ist die Arbeit im Boxring, hier müssen sich die Jugendlichen ihrer Aggression stellen, lernen Regeln zu beachten, es aushalten auch mal in der Rolle des Sparring-Partners zu sein.

Der Erfolg: 82 Prozent der Kursteilnehmer bleiben bis zum Schluss dabei, und davon werden wieder rund 83 Prozent vermittelt. Zahlen die aufhorchen lassen. Kein Wunder, dass auch in anderen Orten Interesse an diesem Modell besteht.

Mit Stuttgart, Berlin und Wien laufen derzeit Gespräche, beziehungsweise muss der Stadtrat noch entscheiden, ob er Gelder für die Etablierung des Projekts bereit stellen will, teilt Voß mit. Die Zahl der gewaltbereiten Jugendlichen wird steigen, denn auch die Beziehungslosigkeit innerhalb der Familien wächst, argumentiert Voß.

Aber auch die Aussteiger aus dem Projekt werden nicht aufgegeben. Bei manchen fällt der Groschen erst ein wenig später, wie bei einem Kursteilnehmer, der nach Abbruch des Projekts zurück auf die schiefe Bahn kam und dann zwei Jahre ins Gefängnis musste. Nach dieser Zeit stand er wieder bei Rupert Voß auf der Matte und hat heute einen festen Job. Die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt ist das Ziel der Maßnahme, erklärt Voß. Die Teilnehmer sollen in der Lage sein, ihr Leben selber zu gestalten.

»Die Jungs treffen nach unserer Zeit eine Entscheidung, gegen die Gewaltspirale und für ein eigenes Leben«; erklärt er. In ihren Betreuern suchen sie nicht selten so etwas wie eine Vaterfigur, berichtet Zenkel. Letztens erreichte ihn ein Anruf eines ehemaligen Teilnehmers: »Jürgen, ich hab’ jetzt einen Job. Bist du jetzt stolz auf mich?« Und das ist er dann auch in der Tat!

Heike Woschée

Artikel vom 04.11.2009
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