Die Wahl fällt auch Experten schwer

Münchner kneifen nicht

Viele haben schon per Brief gewählt – für 682.000 Münchner ist aber erst morgen Wahltag.

Viele haben schon per Brief gewählt – für 682.000 Münchner ist aber erst morgen Wahltag.

Am Samstag geht’s ums „große Ganze“, wenn die Münchner in ihre jeweiligen Wahllokale gehen. Keine kleinkarierten Stadtfürsten-Diskussionen wie bei Kommunalwahlen, sondern richtungsweisende Sachentscheidungen fürs ganze Land stehen an. Soweit die Theorie. Doch wird das funktionieren? Geht es mehr um Grundsätzliches und weniger um die Chemie, als wenn es um Themen aus der Nachbarschaft geht, über die Bezirksausschüsse und der Stadtrat zu entscheiden haben?

Professor Dr. Peter Cornelius Mayer-Tasch, Rektor der Münchner Hochschule für Politik, ist davon nicht überzeugt: „Ich würde für meine Entscheidung bei der Bundestagswahl schon eher in die Waagschale legen, was für das Gemeinwohl ansteht. Doch genau wie bei der Kommunalwahl auch würde ich meine Stimme keinem ,Bazi‘ geben, dem ich persönlich nicht über den Weg traue – selbst, wenn seine Partei für Ideen steht, die ich vertrete.“

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Einen wesentlichen Unterschied zwischen Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen sieht er hingegen vor allem bei den Politikern, die auf den verschiedenen Ebenen „bereit sind, in die Politik zu gehen“ – nämlich in ihrer Aussagekraft: „Je allgemeiner die Themen werden [mit denen sich die Politiker zu beschäftigen haben, die Red.], desto dünner wird die Luft.“ Will sagen: Je höher die Politikebene, desto beliebiger und austauschbarer die formulierten Ziele. Das Dilemma: Das, worum es eigentlich geht, ist im allgemeinen komplizierter als die Frage, ob lieber eine Tram oder ein Bus durch den Englischen Garten fahren soll. Parolen mit einer ähnlichen Aussagekraft wie „Frieden, Freiheit, Zwetschgendatschi“ seien die Folge, kritisiert der Rektor der Hochschule für Politik.

Ist die Welt außerhalb unseres Stadt-Kosmos, in dem wir uns aus eigener Anschauung leicht eine Meinung bilden können zu Fragen nach der maximalen Höhe von Hochhäusern und Kameraüberwachungen an S-Bahn-Stationen, also in den vergangenen Jahren immer komplexer geworden – und brauchen wir vielleicht deshalb Kanzler-Duelle, verlangen nach „persönlichem Profil“, auch auf Bundesebene und nicht nur im kleinen Reich eines King Ude? Mayer-Tasch warnt davor, einen vermeintlichen neuen Trend auszumachen, „wie das die Medien gerne tun“. „Es gab schon immer alles – auch Personen-Wahlen. Unser Erinnerungsvermögen ist nur sehr kurz.“

Der „Zirkus“, der um die Wahl in Form von dauernden Wählerbefragungen gemacht wird, die Erfahrung und Aussicht, dass „eh' nicht das gemacht [wird], was gesagt wird – sondern das, was irgendwie machbar ist“, der „doch eher sehr geringe“ Grad der Erleuchtung unter Politikern … das alles befremdet den Professor für Politikwissenschaft und Rechtstheorie. „Doch wir müssen immer daran denken, dass Autokraten noch gefährlicher sind, als unser Schicksal so zu regeln, wie wir es heute tun“, sagt er zum Samstagsblatt.

Und schließlich leben die Münchner auch nicht auf einer Insel, auf der Bundes-Themen nur abstrakt blieben. Im Gegenteil, manche sind gerade hier beklemmend aktuell. „Der S-Bahn-Mord [an der Haltestelle Solln, d. Red.] lockt sicher noch einige ,Law and Order‘-Leute auf den Plan“, vermutet auch Mayer-Tasch. Überhaupt gebe es zur Zeit genug Themen, die viele Menschen beträfen: „Wer der Meinung ist, dass zuviel Wirtschaftsfreiheit in die Wirtschaftskrise geführt hat, wird sicher wählen, damit ja nicht die Liberalen an die Macht kommen; und auch jemand, für den Kernkraft tabu ist, wird bestimmt zur Wahl gehen …“ führt der Wissenschaftler weiter aus.

Er selbst hat bereits die Briefwahl genutzt – damit gehört er, der sich so sehr gegen vermeintliche Trends wehrt, in München tatsächlich zu den Trendsettern. Das Kreisverwaltungsreferat berichtet, dass es bis einschließlich Freitag, 18. September, bereits mehr als 213.000 Briefwahlunterlagen ausgestellt hätte – fast 50.000 mehr als zum selben Zeitpunkt vor der Bundestagswahl 2005, und die höchste Anzahl, die es bislang jemals für eine Bundestagswahl bearbeiten musste. Bleibt zu hoffen, dass die restlichen 682.000 Wahlberechtigten morgen noch ihr Kreuz machen – möglichst vor dem Gang zur Wiesn. Von Eva Mäkler

Artikel vom 24.09.2009
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