Dennoch nimmt die Armutsdichte im Münchner Süden zu

Giesing/Harlaching · Aktion gegen Armut

Im Kindertreff AKKU, hier vertreten durch Birgit Hannich und Denis Bayer, gibt es nachmittags kostenloses Obst und Brotzeit für kleines Geld. Foto: Woschée

Im Kindertreff AKKU, hier vertreten durch Birgit Hannich und Denis Bayer, gibt es nachmittags kostenloses Obst und Brotzeit für kleines Geld. Foto: Woschée

Giesing/Harlaching · »Es sind ganz banale Sachen, an denen es oft mangelt, ein neuer Wintermantel, ein Paar Schuhe oder eine Brille. Das Geld vieler Rentner reicht einfach nicht, um solche alltäglichen Dinge zu finanzieren. Trotzdem tun sich die alten Menschen immer noch sehr schwer damit, staatliche Hilfen anzunehmen und schämen sich deswegen«, erklärt Jasmin Koch, Leiterin vom Alten-und Service-Zentrum der Diakonie in Harlaching.

Ihre Erfahrungen decken sich mit den jüngsten Ergebnissen des kürzlich vorgestellten Armutsberichts. Regsam-Moderator Basilios Mylonas hatte kürzlich zur Vollversammlung geladen, um dort den Armutsbericht 2007 für die Stadtteile Giesing und Harlaching zu präsentieren. Werner Fröhlich, der den Armutsbericht mitverfasst hat, stellte klar heraus, dass es vor allem zwei Bevölkerungsgruppen in den Bezirken 17 und 18 besonders hart trifft, einerseits sind das kinderreiche Familien, beziehungsweise Familien mit einem alleinerziehenden Elternteil und immer mehr auch alte Menschen. Wie Fröhlich erklärte, gibt es in Giesing/Harlaching einen deutlich höheren Anteil an Alleinerziehenden (1.954 Haushalte von 8.275 Haushalten mit Kindern in den Bezirken absolut) sowie an Senioren (18,4 Prozent der Bevölkerung) wie in vielen anderen Stadtbezirken. Bei den Arbeitslosenzahlen belegten die Stadtteile Giesing und Harlaching den 4. Platz im Ranking der Stadtbezirke mit 4,7 Prozent. 33,2 Prozent davon sind Langzeitarbeitslose. Neu sei die Zunahme der sogenannten »Working-Poor«, Menschen, die trotz der Tatsache, das sie einer Arbeit nachgehen, zu wenig zum Leben haben. In München seien hier vor allem auch die teuren Mieten schuld daran, dass Menschen mit ihrem Einkommen nicht auskommen könnten, so Fröhlich. Hilfen in Form von Wohngeld, Leistungen nach dem SGB XII (Grundsicherung, Hilfe zum Lebensunterhalt) erhalten in Giesing/Harlaching 3,2 Prozent der Bevölkerung und Leistungen nach dem SGB II und Sozialgeld erhalten 6,0 Prozent. Die Armutsdichte beträgt pro Tausend Einwohner in Obergiesing 166 Personen (9. Platz im Stadtviertelvergleich) und in Harlaching 117 Personen (17. Platz). Der Leiter des Sozialbürgerhauses für Giesing und Harlaching, Conrad Sottorf, kennt die Gesichter und Geschichten hinter den Zahlen. Ins Sozialbürgerhaus kommen die betroffenen Bürger um sich Rat und Hilfe zu holen. »Die Zahlen steigen«, bestätigt auch er.

Die Mittel, die der Staat zur Verfügung stelle, um die Not zu lindern, seien vielfach zu gering. Um einen Teil der Härte zu kompensieren, trage die Stadt München mit speziellen Angeboten wie der verbilligten IsarCard oder der Ausgabe von München-Pässen an kinderreiche Familien mit denen verbilligter Eintritt in Schwimmbäder oder Museen ermöglicht wird, bei. Vor allem setzt man in München aber auf Beratung. So bietet das Sozialbürgerhaus zum Beispiel eine Budgetberatung für einkommensschwache Familien an. Im Klartext bedeutet das, den Hilfesuchenden zu erklären, wie man am besten sparsam wirtschaftet, zum Beispiel indem man ein Haushaltsbuch führt, oder dass man Geld sparen kann, wenn man selber kocht anstatt immer vorgekochte Tiefkühlwaren zu kaufen. Auch die Stadtwerke München haben reagiert und bieten jetzt Energiesparberatungen für einkommensschwache Haushalte an. Um die betroffenen Menschen zum Mitmachen zu bewegen, werden kleine Energie-Spar-Starterpakete mit einem Kühlschrank, Thermometer, einer Steckdosenleiste zum Ausschalten und zwei Energiesparleuchten verschenkt, außerdem kann man auch energiesparende Geräte gewinnen, wenn man an einer Beratung teilnimmt. Dass die schmale Haushaltskasse vieler Rentner von den ständig steigenden Energiepreisen arg strapaziert wird, weiß auch Angela Settele vom ASZ Untergiesing, dessen Träger die Diakonie ist. Viele seien von den hohen Nachzahlungen nach dem langen und strengen Winter völlig überfordert gewesen. Hier könne das ASZ zum Beispiel Stiftungsgelder beantragen, informiert Settele. Die Angebote im ASZ sind deshalb auch allesamt sehr kostengünstig gehalten, was allerdings ohne die Unterstützung von ehrenamtlichen Kräften nicht möglich wäre. Auch der Malteser Mahlzeiten-Dienst hat auf die wachsende Armut bei alten Menschen reagiert und ganz neu eine Mahlzeiten-Patenschaft ins Leben gerufen. Anke Ringel von den Maltesern berichtet von der Idee, Sponsoren und Spender für einzelne Personen zu suchen. Ist das Jahresbudget für ein tägliches warmes Mittagessen zusammen, kann es auch schon losgehen.

Auch das Sozialbürgerhaus kann Stiftungsgelder beantragen, wenn staatliche Stellen nicht zuständig sind. »Das sind nur Tropfen auf den berühmten heißen Stein, aber sie helfen die gefühlte Not ein wenig zu lindern«, bekennt auch Sottorf. Im Kindertreff AKKU am Agilolfingerplatz ist Armut ebenfalls ein Thema. »In ­unserem Bereich leben viele Alleinerziehende. Die Kinder leiden da oft nicht nur unter den engen finanziellen Möglichkeiten, sondern auch darunter, dass die Eltern wenig Zeit für ihre Kinder haben, weil sie arbeiten müssen«, erklärt Margarete Fritz vom AKKU-Team. Das bunte Programm im AKKU wird deshalb auch besonders kostengünstig oder sogar kostenlos angeboten. Problematisch sei hier vor allem die Tatsache, dass sich die Armut der Eltern auf die Chancen der Kinder in ihrer schulischen Entwicklung auswirke, bedauert Fritz. Zum niederschwelligen Angebot im ­AKKU gehört, dass man für kleines Geld dort essen kann. Einig sind sich alle Vertreter sozialer Einrichtungen, ohne Spenden, Stiftungen und Sponsoren würde das Leben in München sehr viel ärmer aussehen, als es das bereits tut.

hw

Artikel vom 02.09.2009
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