Albrecht Ackerland über Zwänge

München · Da schau her!

München · Was muss ein Mann nicht alles gemacht haben in seinem Leben? Einen Baum gepflanzt. Hab' ich. Eine Flasche Bier mit den bloßen Zähnen aufgemacht. Hab' ich – versucht. Ein Tier erlegt. Hab' ich, wenn es zählt, eine Auster genommen zu haben, die ja immerhin noch gelebt hat, kurz zuvor, an einem dieser schönen Vormittage am Samstag auf dem Viktualienmarkt. Ein Mann muss sich einen Knochen gebrochen haben.

Hab' ich. Ich habe in der Nussbaumklinik gewinselt nach mehr morphinhaltigen Schmerzmitteln, nachdem mein Sprunggelenk nicht mehr ganz war. Ein Mann muss einen Sohn gezeugt haben. Kein Kommentar. Er muss einen Reifen gewechselt haben – hab' ich ganz außerordentlich, kürzlich nämlich am Standstreifen des 90er Interstate-Highways, sogar ohne Schutzweste und Warndreieck, von Nachahmung sei dringend abzuraten. Ein anständiger bayerischer Mann muss einen Semmelknödel zaubern können und einen Schweinsbraten, den kein Wirtshaus der Stadt so hinbekommt. Ein Leichtes für mich. Sie merken: Die Auflistung reicht ins Unendliche, und wären wir offen und modern: Ein Mann müsste auch seinen eigenen Socken gestopft haben, wenn nicht gar selbst gehäkelt. Das aber habe ich nun wirklich nicht, obwohl weiß Gott eine weibliche Ader in mir wohnt.

Weitere Artikel zum Thema

Dass aber eben auch sehr männliches Blut in mir fließt, lässt sich leicht erahnen. Trotzdem werde ich dieser Erwartung nur schwerlich gerecht.

Denn eine wirklich wichtige Station im Leben eine Mannes musste ich zum Glück bis heute nicht anfahren: die des Häfn, wie der Österreicher sagt. Knast. Sing-Sing. Schwedische Gardinen.

Einem jedem Menschen kann in seinem Leben Blödes widerfahren, und flugs ist er dort, wo er so gar nicht hingehört. Dies Schicksal musste ich gottlob noch nicht teilen – und habe es auch nicht vor. Deshalb werde ich wohl auch nie ganz Mann werden, denn glaube ich den Erzählungen jener zwei, drei Ex-Knackis in meiner Boazn, dann ist es genau das Gefängnis, das einen erst richtig reifen lässt.

Sei's drum: Ich besinne mich auf meine inneren Werte und rolle die besten Knödel der Stadt. Und falls ich tatsächlich dereinst einen Sohn gezeugt haben sollte und alleinerziehend werde, und dann noch obendrein dermaßen zu schnell fahre, dass ich einrücken müsste, ja, dann freue ich mich freilich über Kinderbetreuung im Knast. Auf dass die Kleinen was Gscheites lernen – und wenn es das Rollen von anständigen Semmelknödeln ist.

Artikel vom 09.07.2009
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...