So sieht die neue Mutter-Kind-Zelle in Stadelheim aus

München · Leben hinter Gittern

München · Sie werden spielen, malen und singen können, und doch wird ihr Alltag anders aussehen als der anderer Kinder. Denn: Ihre Spielecke wird hinter verschlossenen Eisentüren liegen.

Ab September sollen straffällige Mütter ihre Kinder zu sich ins Frauengefängnis Stadelheim holen können. „Möglich ist das natürlich nur bei kleinen Kindern“, erklärt Sozialpädagogin Andrea Senoner, die die Mutter-Kind-Abteilung leiten wird. „Der Haftaufenthalt sollte stattfinden, bevor das Erinnerungsvermögen einsetzt“, sagt sie. Aus dem Frauengefängnis in Aichach, wo es bereits ein derartiges Projekt gibt, sei ihr ein Fall bekannt, bei dem ein Kind nach der Entlassung lange nicht dazu in der Lage gewesen sei, Türen zu öffnen. „So etwas darf natürlich nicht passieren“, betont sie. Das Angebot komme daher nur für Kinder bis zu drei Jahren in Betracht.

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Erst vor kurzem zog die Frauenabteilung der Justizvollzugsanstalt von Neudeck nach Stadelheim. Bis zu 150 weibliche Gefangene finden hier in dem roten, dreistöckigen Gebäude in Giesing Platz, die meisten von ihnen verurteilt wegen Betrug, Diebstahl und Drogendelikten.

Vereinzelt schlendern Frauen durch die lichtdurchfluteten Gänge. Manche sitzen in ihren Zellen zusammen und rauchen – über Mittag sind die Türen offen. Die vergitterten Fenster geben den Blick frei auf den großzügigen Innenhof, in dessen Mitte ein Schachbrett auf den Boden gemalt ist, die Figuren sorgsam darauf platziert. „Hier ist es besser als in Neudeck, wo das Tageslicht nur von oben kam“, sagt Mariona Hauck, die Leiterin des Frauengefängnisses.

Ein Stockwerk darüber, im obersten Geschoss des Gebäudes, steht noch ein Zellentrakt leer. Hinter der schweren Metalltür, die Hauck mit einem etwa 20 Zentimeter langen Schlüssel aufsperrt, zeigt sich ein völlig anderes Bild: Bunte Spielburgen stehen inmitten von Kinderstühlen. Umrahmt von hellen, grünen Mauern gibt es auf dem Dach sogar einen Spielplatz. Hier werden künftig zehn Mütter ihre Strafe verbüßen können, ohne sich von ihren Kindern trennen zu müssen. Die Folgen einer Trennung von der Mutter seien oftmals schlimmer als die Bedingungen im Gefängnis, sagt Hauck. „Wir legen gerade bei Frauen mit Kindern sehr viel Wert auf die Wiedereingliederung in die Gesellschaft“, erklärt Senoner. Die Haftzeit sei in vielen Punkten vergleichbar mit dem Leben in einer betreuten Wohngruppe. So gibt es in dem Trakt für die Insassinnen zum Beispiel eine Gemeinschaftsküche mit eigenem Kühlschrank – dieser allerdings ist komplett mit Schließfächern versehen. „Das ist nötig, damit sich die Frauen das Essen nicht gegenseitig stehlen“, sagt Hauck. Einkaufen können sie übrigens im Supermarkt direkt im Gefängnis – der Lebensmittelhändler Lidl unterhält in der Vollzugsanstalt eine eigene Filiale.

Doch wie lässt sich eine Bestrafung der Mutter verwirklichen, ohne das Kind zu belasten? „Die Frauen sind während der Haftzeit fremdbestimmt“, sagt Senoner. Die Kinder hingegen könnten die Anstalt jederzeit verlassen. „Verwandte wie etwa die Großeltern können sie immer abholen“, versichert die Sozialpädagogin. Geplant seien außerdem regelmäßige Ausflüge mit dem sozialen Dienst. „Wir werden mit den Kindern ein- bis zweimal in der Woche das Haus verlassen, mit ihnen in den Tierpark oder auch einfach mal in den Supermarkt gehen“, kündigt Senoner an. Ziel sei es, den Buben und Mädchen das Leben außerhalb der Gefängnismauern soweit wie möglich nahezubringen.

Allerdings sieht Senoner auch Schwierigkeiten. „Ein Problem ist das Fehlen der männlichen Bezugspersonen“, erklärt sie. Nicht nur sämtliche Häftlinge seien Frauen, auch das Personal sei größtenteils weiblich. „Um das auszugleichen, müssen wir den Kontakt zu männlichen Verwandten besonders fördern“, sagt Senoner. Insgesamt, so glaubt sie, überwiegen jedoch die Chancen der gemeinsamen Haft: „Wir haben gute Erfahrungen gemacht, viele Mütter bekommen ihr Leben nach der Entlassung wieder in den Griff.“ Häufig gehe Kriminalität bei Frauen mit Drogen- und Alkoholproblemen einher, berichtet Hauck. Sie seien dem Alltag mit Kind nicht gewachsen, es gebe keine gemeinsamen Mahlzeiten und Geburtstage würden vergessen. „Bei uns werden sie wieder klar im Kopf und haben einen strukturierten Tagesablauf“, sagt sie. In Kombination mit einer intensiven Nachsorge sei dies eine gute Voraussetzung, um der Aufgabe als Mutter nach Beendigung der Haft besser gerecht zu werden.

Von Julia Stark

Artikel vom 09.07.2009
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