Schwabinger Jugendliche erfinden sich neu in der »Hauptschule der Freiheit«

Schwabing · Casting im Pausenhof

Warum immer nur Mechatroniker oder Kosmetikerin als Berufsziel? Beim Theaterprojekt ist alles möglich, auch mal US-Präsident Obama sein. 	F.:  Andrea Huber

Warum immer nur Mechatroniker oder Kosmetikerin als Berufsziel? Beim Theaterprojekt ist alles möglich, auch mal US-Präsident Obama sein. F.: Andrea Huber

Schwabing · Rauch wabert um die Kanzel, ausgespien aus einer silbernen Vorrichtung, die der Moderator des »Nachmittagsgottesdienstes« an den Arm geschnallt trägt. »Hab die Hausaufgaben mündlich gemacht«, singt die zarte Frauenstimme der Predigerin. Im Hintergrund des abgedunkelten Physiksaals liegen zwei Gestalten zusammengekauert in rot ausgekleideten erleuchteten Schaukästen, wilde Greifvögel und protzige Kandelaber leisten ihnen Gesellschaft.

Vergangenen Freitag fand in der ehemaligen Kaserne an der Elisabeth-Kohn-Straße die Premiere des Theaterprojekts »Hauptschule der Freiheit« der Münchner Kammerspiele in Zusammenarbeit mit der Hauptschule an der Schwindstraße statt. An acht »Unterrichtstagen« (verschiedene »Stundenpläne«, die jeweils freitags, samstags und sonntags von 16 bis 19 Uhr bis einschließlich Samstag, 4. Juli, gespielt werden, Eintritt 5 Euro) werden Zuschauer zum Teil des Geschehens, also zu Schülern, und von Schülern, Lehrern, Eltern, Schauspielern und Künstlern unterrichtet.

»Cool und lustig« finden das Sercan (13) und Bobby (14), Siebtklässler an der Schwindstraße. Für beide war ihr erster Auftritt vor Publikum »aufregend«. Den Text zu lernen, ging bei Sercan ganz schnell: »Ich glaube aber, dass viele Leute uns das zuerst nicht zugetraut haben.« In der Bildungseinrichtung treffen Jugendliche aus verschiedenen Kulturen und unterschiedlicher Herkunft aufeinander, soziale und kulturelle Barrieren müssen überwunden werden. Das gilt auch für Theaterprofi Bülent Kullukcu, Regisseur der Sequenz »Ich lüge. Du lügst. Wir lügen. Ein religiöses Weltanschauungslabor«, der seine Nachwuchs-Darsteller zum Teil auf dem Pausenhof gecastet hat.

Danach begann ein hartes Stück Arbeit: »Zum Teil sind die Jugendlichen bei den Proben nach einer halben Stunde wieder gegangen.« Mit der Zeit hätten die Schüler aber mitbekommen, dass sie aufeinander angewiesen sind und hätten gemerkt, dass es Sinn macht, etwa pünktlich zu sein. »Wir haben uns mit der Zeit zusammengerauft«, berichtet auch Jens Dreske, Bühnenbildner und Musiker bei den Kammerspielen, über seine Zusammenarbeit mit den Jugendlichen. »Auf einmal kannten wir von allen die Vornamen und wir haben kapiert, wie sie ticken.« Die Träume, Wünsche und Ängste der Schüler sollen in der »Hauptschule der Freiheit« mit Theater verschmelzen und Raum schaffen für die Nachwuchsdarsteller, sich zu präsentieren – in dem leerstehenden Gebäude an der Elisabeth-Kohn-Straße, das danach umgebaut werden soll, damit anschließend drei Schwabinger Hauptschulen zu einer großen Schule zusammen gelegt werden. Bevor der Umzug stattfindet, ist das Gebäude derzeit Theaterbühne, auf der auch Walter Klein, Vorsitzender des Bezirksausschusses Schwabing-West (BA 4), in einer für ihn ungewohnten Rolle agiert hat: Selbst Lehrer wurde er zum Darsteller als Störenfried im Unterricht.

Das komplette Programm der »Hauptschule der Freiheit« findet sich unter www.muenchner-kammerspiele.de. Nach dem jeweiligen »Stundenplan« finden freitags und samstags ab 20 Uhr Schulfeste statt mit Geschichten türkischer Einwanderer (26. Juni), Konzert (Jamaram am 3. Juli spielt afrikanischen Hip Hop und und Roots Reggae) und Münchens Quali-Party (4. Juli).

Beim Projekttag am Donnerstag, 2. Juli, zeigen sämtliche Arbeitsgemeinschaften, was sie entwickelt haben: die Schul-Internetseite, das neu entworfene Schul-T-Shirt oder die Filme, die Neuntklässler mit einem Videokünstler gedreht haben.

Kirsten Ossoinig

Artikel vom 23.06.2009
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