Münchener Nord-Rundschau im Gespräch mit Stadtkämmerer Dr. Ernst Wolowicz

Münchner Norden · Die Krise kommt auch hier

Noch herrsche keine Ebbe in Münchens Stadtsäckel, versichert Stadtkämmerer Dr. Ernst Wolowicz der Münchener Nord-Rundschau.	Foto: em

Noch herrsche keine Ebbe in Münchens Stadtsäckel, versichert Stadtkämmerer Dr. Ernst Wolowicz der Münchener Nord-Rundschau. Foto: em

Münchner Norden · Steuereinbrüche, Haushaltssperre, Sparmaßnahmen. Seit über einem halben Jahr sind das Schlagzeilen, die Angst machen. Doch es wird mehr daraus werden. Für immer mehr Münchner wird die Krise bereits jetzt zum privaten Problem, sei es durch ausbleibende Lohnerhöhungen, durch Kurzarbeit oder durch Arbeitslosigkeit. Und spätestens ab 2010 kommt die Weltwitschaftskrise bei allen Münchnern an. Denn dann werden sie erleben, dass die Stadt Ausgaben kürzen muss.

Was das speziell für den Münchner Norden bedeutet, hat die Münchener Nord-Rundschau den Mann gefragt, der für die Finanzen der Stadt verantwortlich ist: Stadtkämmerer Dr. Ernst Wolowicz. Er war auf Einladung des SPD-Ortsverbands Feldmoching-Hasenbergl in die Lerchenau gekommen, um sowohl die weltweite Situation als auch die Münchens zu erklären. Die Stadt stehe im Vergleich zu anderen Kommunen zwar außergewöhnlich gut da und habe auch Rücklagen, erklärte er, doch die Krise spüre sie längst überdeutlich.

So seien allein im Februar dieses Jah res über 100 Millionen Euro an Gewerbesteuer weggebrochen, da die in der Stadt ansässigen Finanzdienstleister die Schätzungen des zu erwartenden Gewinns entsprechend nach unten korrigiert haben. Auch die Einnahmen aus der Einkommenssteuer (die Kommunen bekommen 15 Prozent der Einkommenssteuer, die die ansässigen Bürger bezahlen) werden in diesem Jahr weit geringer ausfallen, als die 780 Millionen Euro, mit denen die Stadt in guten Zeiten noch gerechnet hat. Mittlerweile ist der Kämmerer froh, wenn er am Ende des Jahres 730 Millionen verzeichnen darf. Und die Situation wird sich verschlimmern – den Höhepunkt der Finanzkrise erwartet er erst in zwei bis vier Jahren.

Wird die Stadt nun also an allen Leistungen sparen, die freiwillig sind, um sich nicht zu sehr zu verschulden? Das würde den Münchner Norden härter treffen als andere Teile der Stadt, da es hier viele Siedlungen des öffentlichen Wohnungsbaus gibt, in denen auch Menschen eine Heimat gefunden haben, die sich die Münchner Durchschnittsmieten nicht leisten können. Viele von ihnen bekommen Geld nach dem Hartz-IV-Gesetz und/ oder andere Sozialleistungen. »Die Stadt München gibt jährlich eine Milliarde Euro für Sozialleistungen aus – davon 600 Millionen, zu deren Zahlung sie auf Grund der Gesetze verpflichtet ist, und 400 Millionen, die sie freiwillig mehr bezahlt – zum Beispiel, um den Hartz-IV-Regelsatz, mit dem ein menschenwürdiges Leben in München de facto nicht möglich wäre, aufzustocken.

Ich rechne nicht damit, dass die Stadt bei diesen freiwilligen Leistungen spart; ich bin nicht dafür bei den Ärmsten der Armen den Rotstift anzusetzen. Letztlich kommt es aber darauf an, was der Stadtrat im Herbst beschließt; wie gesagt, ich rechne nicht damit«, antwortet Wolowicz. Wo sieht er dann Einsparungspotenziale? »Zum Beispiel könnte es sein, dass es in der Verwaltung höhere Fallzahlen pro Sachbearbeiter geben wird. Dann warten Sie beim Kreisverwaltungsreferat vielleicht mal, nur so als Beispiel, 25 statt 20 Minuten auf die Ausstellung eines Führerscheins. Ganz sicher nicht sparen werden wir bei der pädagogischen Betreuung von Kindern.«

Darauf richtete auch Stadträtin Heide Rieke vom einladenden Ortsverband ihr Augenmerk während der Veranstaltung – und fragte nach, wie es um die geplanten Kinderbetreuungseinrichtungen in Feldmoching und den Neubau des Stadtteilzentrums an der Blodigstraße gestellt sei. Wolowicz: »Das kommt.« Um dann lächelnd hinzuzufügen: »Es sei denn, der Stadtrat beschließt doch noch was anderes in Sachen Blodigstraße …« Das sei nicht zu befürchten, erwiderte die Stadträtin.

Wolowicz verwies stolz auf die »antizyklische Investitionspolitik«, die die Stadt München seit 1991 betreibe, indem sie »auch in schwierigen Zeiten« immer investiert habe. Dies sei ein wesentlicher Grund, weshalb es der Kommune jetzt besser gehe als vielen anderen. Von der Münchener Nord-Rundschau gefragt, ob dieses antizyklische Verhalten in der Weltwirtschaftskise verstärkt werden solle, um ein Auseinanderbrechen der Stadt in einen immer ärmeren Norden, mit der wachsenden Gefahr sozialer Unruhen, und Vierteln für Reiche zu verhindern – zum Beispiel, um die Sicherheit in der ganzen Stadt für Einheimische wie Touristen weiter zu gewähren – antwortet der Stadtkämmerer: »Volkswirtschaftlich wäre das sinnvoll, in dieser Situation noch mehr in soziale Maßnahmen zu investieren. Doch leider würden Zins und Tilgung für die dafür notwendigen zusätzlichen Schulden in den Haushalten der kommenden Jahre noch größere Löcher reißen.« Mit anderen Worten: Die Stadt hat nur einen begrenzten Handlungsspielraum und kann auf kommunaler Ebene nicht weltweite Fehlentwicklungen des Wirtschaftssystems umfassend ausgleichen – wie etwa die, dass die sogenannte »Lohnquote«, der Anteil der Arbeitnehmer am Vermögen, seit Jahren immer weiter sinkt, wie Wolowicz konstatierte. »Die Kommunen baden das aus, was an strukturellen Problemen in der Wirtschaftskrise sichtbar wird«, summiert er.

Die »Armen«, so Dr. Ernst Wolowicz, solle es nicht treffen. Doch wie lange die Stadt sich »freiwillige« Leistungen noch leisten kann, hängt sicher von der Dauer der Krise ab. Und in diesem Punkt ist der Stadtkämmerer nicht sehr optimistisch: »Wir müssen uns auf absehbare Zeit auf Einschränkungen einstellen.« Eva Mäkler

Artikel vom 09.06.2009
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