Albrecht Ackerland über Mieten in München

München · Da schau her!

In meinem Haus wohnt ein Zwillingspaar. Die beiden Damen um die Achtzig wohnen dort seit ungefähr 1953 in einer geräumigen Wohnung: drei Zimmer, Küche, Bad, Balkon, Toilette extra, Altbau. Wie ihre Wohnung höchstwahrscheinlich geschnitten ist, das weiß ich nur, weil gute Bekannte über ihr wohnen. In der Zwillingswohnung war ich nie, die beiden verkörpern eher das Gegenteil von münchnerisch-freundlicher Altersmilde.

Ihren Grant muss ich trotzdem nicht täglich im Treppenhaus ertragen: Die beiden sind seit Monaten, nahezu Jahren hier nicht mehr gesehen worden. Nein, man muss nichts Schlimmes befürchten. Nichts, von dem man manchmal in der Zeitung liest und sich fragt, wie das gehen soll, dass Nachbarn es angeblich trotz aktiver Sinne nicht merken, dass neben ihnen jemand verstorben ist und anschließend noch eine halbe Ewigkeit das macht, was ein Toter eben so macht.

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Bei den Schwestern verhält es sich anders. Eine der beiden hält noch eine andere Wohnung in der Stadt. Wo genau, weiß keiner so recht. Es kursieren verschiedene Gerüchte, einmal sei es dort im Winter leichter zu heizen, einmal im Sommer besser zu lüften. Jedoch: Frühling, Sommer, Herbst, Winter des vergangenen Jahres haben wir hier im Haus ohne die eineiige Bärbeißigkeit verbracht, was durchaus auch schön ist.

Aber es gibt eben auch die Geschichte von dem Wasserhahn, der in der Wohnung im Winter über Monate gelaufen sein soll. Warum? Damit die Rohre nicht einfrieren, schließlich pflegen die Damen nicht, zwei Wohnungen zu heizen.

Manchmal wünsche ich mir Zwangsseminare für solche Menschen. In diesem Fall keines, das den Titel trägt: So finde ich die Liebe meines Lebens. Das wäre boshaft. Ich denke hier eher an das Themenfeld Umwelt & Soziales.

Wir wohnen in einem Haus, das der Besitzer nicht luxussanieren wird, und seine Wohnungen will er an normale Menschen, gerne Familien, vermieten. Es ist ein einfacher Altbau: hohe Räume, Parkett, gut geschnitten und nicht allzu weit von der Innenstadt weg. Er könnte locker ein Drittel mehr verlangen. Tut er aber nicht. Aus Überzeugung – ja, so etwas gibt es tatsächlich.

Die Zwillinge zahlen vermutlich 450 Euro für ihre unbewohnten und unbelebten 85 Quadratmeter. Würde sie neu vermietet, der Besitzer würde sie herrichten und anschließend für faire 800 Euro kalt vermieten. Erzählen Sie das mal einer Familie, die gerade eine Wohnung sucht.

Artikel vom 04.06.2009
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