Jörg Hube liest im Unterschleißheimer Ballhaus-Forum live – Aufnahme auf CD

Unterschleißheim · Aus Hören wird Fühlen

Enge Zusammenarbeit: Tristan Berger (links) ist für die Auswahl der Textpassagen bei den Lesungen von Jörg Hube (rechts) verantwortlich.	Foto: em

Enge Zusammenarbeit: Tristan Berger (links) ist für die Auswahl der Textpassagen bei den Lesungen von Jörg Hube (rechts) verantwortlich. Foto: em

Unterschleißheim · »Jörg ist ein jähzorniger Bub.« Dieser Satz stand im ersten Schulzeugnis des Schauspielers und Kabarettisten Jörg Hube. Und er steht immer noch. Jörg Hube entrinnt dieser »Beschreibung einer Identität«, wie er es nennt, seit sechs Jahrzehnten nicht. Welch ein Glück – für ein Publikum, das gerne genau hinhört. In immer wieder neuen »Herzkasperl«-Kabarettprogrammen teilt Hube mit seinen Zuschauern persönliche Blickwinkel.

Und fremden Texten verleiht er seine Stimme. Mit einer Empathie, die den Zuhörer sofort hineinzieht in das Geschehen, in die Dialoge der Protagonisten. Dabei kommt er ganz ohne alle zusätzlichen Ausdrucksmittel des Schauspielers aus.

Besonders intensive Hörerfahrungen bereitet Jörg Hube seit 2001 immer wieder den Besuchern des »Forum Unterschleißheim«. Ausgewählte Lesungen der vergangenen elf Jahre aus Büchern, die deutsche Zeugen der Zeit »zwischen den Kriegen« im 20. Jahrhundert sind, präsentiert das Forum Unterschleißheim nun auf CDs. Und lädt dazu ein, bei der Aufnahme für die noch fehlende CD dieser Edition live dabei zu sein: Am Dienstag, 26. Mai um 19 Uhr liest Hube im BallhausForum, Anna-Wimschneider-Straße 1-3, Ecke Landshuter Straße, aus Wolfgang Koeppens »Tauben im Gras«. Für die Auswahl der Textpassagen wird auch an diesem Abend, wie bei den anderen Lesungen, Tristan Berger verantwortlich sein. Bei der Vorstellung der Edition im Münchner Kulturhaus Milbertshofen betonte er, dass er sich zwar »Umstellungen und Kürzungen erlaube«, aber bei dem Ergebnis seiner Arbeit gelte: »Es gibt kein Wort, das nicht vom Dichter wäre«.

Jedes der Bücher, aus denen Hube im Rahmen dieser Reihe liest, ist ihm wichtig – ob es zum Beispiel »Der Vater eines Mörders« von Alfred Andersch ist, in dem es um humanistisch verbrämten Faschismus, exerziert an Gymnasiasten, geht, oder »Mephisto« von Klaus Mann – die Geschichte des Schauspielers »Hendrik Höffgen«, der sich zum Hofnarr der faschistischen Machthaber macht und schuldig wird.

»Der Vater eines Mörders« spielt am Wittelsbacher Gymnasium – dort war auch Hube Schüler, und Spuren des thematisierten »Kryptofaschismus«, wie er ihn nennt, konnte auch er, das Kind der Bundesrepublik, dort noch erkennen. Überhaupt ist dieser Lesestoff für Jörg Hube und Tristan Berger sehr aktuell, denn: »Es hängt alles miteinander zusammen; auch mit mir«, konstantiert Hube – und sieht die gleiche verbissene Kraft, die in der Nachkriegszeit das sogenannte »Wirtschaftswunder« möglich gemacht hat, vorher im Zweiten Weltkrieg wirken – und davor bereits im Wilhelmismus.

Heute ist es die gnadenlose Ausbeutung der an Bodenschätzen so reichen, sogenannten »Dritten Welt«, die er als logische Fortsetzung erkennt: »Die Dinge verändern sich, aber sie bleiben im Strom der Gesellschaft.« Und: »Die Gier sieht nie weiter als bis zum nächsten Profit.« So empört sich der Autor, Kabarettist und Schauspieler über vieles, was er mit offenen Augen und Verstand heute wahrnimmt, als er eigentlich über die Texte reden will, die er liest. Jörg ist eben ein jähzorniger Mann? Wach ist er. Mit einem Herzen, das ihn viel zu sehr mitfühlt, den Schmerz dieser Welt. Eben einfach ein Künstler. Eva Mäkler

Artikel vom 19.05.2009
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