Albrecht Ackerland über Gewalt

München - Da schau her!

In meinem Leben habe ich noch nie geschlägert. Kein Witz. Das liegt jetzt gar nicht daran, dass ich mich – wenn's denn wirklich darauf ankäme – nicht zu verteidigen wüsste. Wenn einer meint, er kann mir blöd kommen, dann erlebt er was. Zum Beispiel einen Ackerland, wie er sich schleicht. Weil für Deppen hatte er noch nie Zeit. Da fehlt ihm nun wirklich die Toleranz, und zwar nicht jene frei nach Gerhard Polt: „Toleranz ist, dass du keine fangst.“

Vielleicht ist es zwar für die seelische Sauberkeit ganz zuträglich, einmal ordentlich wo reinzuhauen. Aber es kommt nicht in Frage, einen Menschen zu schlagen, da sind wir uns ja wohl einig. Allerhöchstens ein Heumandl würd' ich mit einer klassisch-bairischen Bockfotzn ins Gebet nehmen. Und außerdem kam ich noch nie in die Situation, dass mir keine andere Möglichkeit mehr in den Sinn kam, den angestauten Ärger wegzukehren.

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Heißt ja nicht, dass man Frust schlucken sollte. Im Gegenteil. Schreien ist erlaubt – wenn's hilft. Meine Meinung als alter – aber seien Sie beruhigt: handsamer – Choleriker. Wie heißt es so schön: Alles raus, was keine Miete zahlt!

In meiner Schulzeit jedenfalls wäre es uns nie in den Sinn gekommen, zu raufen. Das gab's einfach nicht. Lieber haben wir uns gegenseitig etwas vorgelesen oder zusammen ein Liedchen vom Frieden und der Freiheit gesungen.

Und so einen Schmarrn glauben Sie jetzt allen Ernstes? Freilich sind bei uns die Fetzen geflogen, aber die Raufereien verbuche ich nicht als rohe Gewalt. Ja, es gab Nasenbluten und blaue Augen, aber dann war's auch wieder gut. Am nächsten Tag hat man wieder normal miteinander geredet, vielleicht sogar über den Kampf vom Vortag – und zwar so, wie man das nach einem Fußballspiel tut.

Heute dagegen hört man von schlimmsten Mobbing-Fällen schon bei Grundschülern, von Brutalitäten aller Art und ohne Ende gegen Einzelne. Das ist schlimm, und keiner kann so genau sagen, warum das nun so ist. Wer meint, den genauen Grund zu kennen und den auch noch rausposaunen zu müssen, der erzählt mit ziemlicher Sicherheit einen Schmarrn. Es liegt jedenfalls sicher nicht am Multikulti in den Klassen, nicht nur am Leistungsdruck, an der fehlenden Zeit der Eltern, an unserer Gesellschaft, die angeblich immer mehr verroht, an Computerspielen, an was auch immer.

Aber: Die Zeiten haben sich nun einmal geändert, wir stehen vor dem, was ist. Und das, was ist, ist nicht immer gut, da teilen wir sicher die Meinung. Wenn also den Kindern durch Anti-Gewalt-Programme wirklich bewusst gemacht werden kann, dass ihr Hirn und ihr Mund – und zur Not auch die Beine – für alles reichen, wenn es zu Ärger kommt, und dass es zwar schön und wichtig ist, in einer Gruppe zu sein, aber eben nicht, wenn diese gegen einen Einzelnen vorgeht, dann können wir uns auf eine schöne Zukunft freuen. So watteweich das klingen mag.

Artikel vom 14.05.2009
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