Anti-Gewalttrainings an Münchner Grundschulen

München - Tatort Pausenhof

Auf der Friedenstreppe lernen die Kinder, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Die Eltern schauen interessiert zu. Foto: sm

Auf der Friedenstreppe lernen die Kinder, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Die Eltern schauen interessiert zu. Foto: sm

Schüler prügeln aufeinander ein, Lehrer stehen hilflos daneben, andere Schüler nehmen die Übergriffe mit dem Handy auf. Szenen aus Film und Fernsehen oder brutale Realität? Laut Wolfgang Wenger von der Münchner Polizei raufen Schüler nicht öfter als früher – aber deutlich brutaler. „Wir erkennen zunehmende Verrohungstendenzen“, sagt Wenger. Bedeutet: Wenn jemand am Boden liegt, wird immer öfter nochmal nachgetreten.

Diese Erfahrung hat auch Brigitte Zwenger-Balink vom Kinderschutzbund München gemacht: „Die Grenzen haben sich verlagert, die Hemmschwelle ist dabei deutlich gesunken.“ Auch müsse man zwischen physischer und psychischer Gewalt unterscheiden. Während sich Jungs meist körperlich zur Wehr setzen, agieren die Mädchen wesentlich subtiler. Mobbingstrukturen seien bei Mädchen deutlich mehr verbreitet.

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Damit es gar nicht erst so weit kommt, müsse laut Zwenger-Balink „viel mehr vorbeugend gearbeitet werden“. Die Pädagogin führt daher Anti-Gewalttrainings bereits an der Grundschule durch. „Die Kinder sollen möglichst frühzeitig lernen, anstelle ihrer Fäuste und Füße Argumente zu benutzen und die Augen für die Situation des anderen öffnen“, sagt Zwenger-Balink.

Das Projekt „Komm, wir finden eine Lösung” soll Kindern helfen, mit Konflikten konstruktiv umzugehen. „Von Anfang an ist es wichtig, positive Gruppenstrukturen in der Klasse zu etablieren, damit Hänseln und Auslachen oder gar Schlagen keinen Raum hat“, erklärt die Projektleiterin. Die Trainer achten besonders darauf, Teamfähigkeit zu fördern und gemeinsame Regeln für den Schulalltag zu vereinbaren. „Zentrales Ziel ist es, den Kindern zu ermöglichen, selbstbewusst und selbstständig Konflikte zu regeln und zu lösen“, so Zwenger-Balink. Besonders effektiv sei dabei die Friedenstreppe.

Die vierstufige Treppe ist pyramidenförmig angelegt und wird auf den Boden des Klassenzimmers aufgezeichnet. Auf der ersten Stufe erzählen die Kinder über den Konflikt aus ihrer Sicht. Auf der zweiten Stufe wiederholen die Grundschüler, was der andere gerade erzählt hat. Auf der dritten Stufe wird nach einer gemeinsamen Lösung gesucht. Wenn sich beide Kinder geeinigt haben, dürfen sie auf die oberste Stufe. „Die Friedenstreppe ist sehr beliebt bei den Kindern. Bei Konflikten im Klassenzimmer kann sie jederzeit zum Einsatz kommen. Viele Kinder erzählen, dass sie die Friedenstreppe auch zu Hause eingeführt haben“, berichtet Zwenger-Balink.

Abschluss jedes Anti-Gewalt-Trainings ist ein Eltern-Kind-Abend. Solch einer fand kürzlich in der Grundschule an der Kirchenstraße in Haidhausen statt. Die Schüler der zweiten Klassen luden ihre Eltern in ihr Klassenzimmer ein und erzählten selbst, was sie in den Trainings erlebt haben. „Die Eltern haben so die einmalige Chance, ihre Kinder in der Klassengemeinschaft zu beobachten“, erklärt Zwenger-Balink. Außerdem sollen die Eltern informiert sein, wie ihre Kinder angeleitet werden, Konflikte zu lösen, ergänzt Schulleiterin Ursula Veitleder.

Die Kinder erzählten ihren Eltern vom Wunschbaum, vom Tierschiff und natürlich von der Friedenstreppe. Anschließend führten sie den Eltern das Tuchspiel vor. Dabei halten die Kinder ein großes Tuch, das in der Mitte ein Loch hat. Ziel ist es, den Ball, der auf dem Tuch rollt, nicht herunterfallen zu lassen. „Die Kinder sollen dabei lernen, wie man Ziele gemeinsam umsetzen kann“, so Zwenger-Balink.

Bei Eltern und Lehrern kommt das Projekt gut an, das Klima sei zunehmend von Gemeinschaft und Vertrauen geprägt und die Kinder würden sensibler miteinander umgehen. Wie erfolgreich die Trainings tatsächlich sind, lässt sich erst in ein paar Monaten sagen. Die Universität München hat das Projekt drei Jahre wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse sollen im Lauf des Jahres vorliegen. Das Präventionsprojekt des Kinderschutzbunds München wird bereits seit zehn Jahren an Münchner Grundschulen durchgeführt. 110 Schulen und 315 Klassen profitierten schon von den Anti-Gewalttrainings. Insgesamt seien rund 7.500 Schüler erreicht worden.

Von Stefanie Moser

Artikel vom 14.05.2009
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