Frischgekürte Preisträgerin liest in Seidlvilla

Schwabing · Sentimentales voller Aberwitz

Erzählt witzig und unsentimental eine emotionale Familiengeschichte: Si­bylle Lewitscharoff. 	F.: VA

Erzählt witzig und unsentimental eine emotionale Familiengeschichte: Si­bylle Lewitscharoff. F.: VA

Schwabing · Sibylle Lewitscharoff, frisch gekürte Trägerin des Preises der Leipziger Buchmesse 2009, liest aus »Apostoloff«: am Dienstag, 5. Mai, 19.30 Uhr, in der Seidlvilla Nikolaiplatz 1 b. Karten zu 7/5 Euro gibt es an der Abendkasse ab 18.30 Uhr. Zwei Schwestern. Die eine auf der Rückbank, die andere auf dem Beifahrersitz, die eine scharfzüngig und kampflustig, die andere nachsichtig und höflich: Sie sind unterwegs im heutigen Bulgarien.

Auf der ersten Hälfte ihrer Reise waren sie Teil eines prächtigen Limousinenkonvois, der die Leichen von 19 Exilbulgaren – in den Vierzigern von Sofia nach Stuttgart ausgewandert – in ihre alte Heimat überführte. Darunter der frühverstorbene Vater der Schwestern. Jetzt sind sie Touristinnen, chauffiert vom langmütigen Rumen Apostoloff.

Er möchte den beiden die Schätze seines Landes zeigen, die Keramik mit Pfauenaugendekor (dessen Kobaltblau giftig ist), die Schwarzmeerküste (komplett versaut), die Architektur (ein Verbrechen des 20. Jahrhunderts). Die Jüngere, die Erzählerin, spuckt Gift und Galle. Apostoloffs Vermittlungsversuche zwischen Sofia und Stuttgart sind zunächst wenig erfolgreich. Denn das bulgarische Erbe der Schwestern wiegt schwer – wenn der Vater, der erfolgreiche Arzt und schwermütige Einwanderer, in ihren Träumen auftaucht, schlängelt das Ende des Stricks, an dem er sich erhängt hat, noch hinter ihm her. Voller Aberwitz schildert Sybille Lewitscharoff eine »Erfahrung des Vaterlandes«. Nichts ist dabei unmöglich. Den beiden Schwestern begegnet Obskures, Übersinnliches und Profanes. Engel, Ikonen und Heilige kommen daher. Spuren der Geschichte Bulgariens und Kulturgüter des Landes kreuzen ihre Wege. Und immer wieder holen sie die Erinnerungen an die eigene Familiengeschichte ein, doch unsentimentaler als Sibylle Lewitscharoff kann man darüber nicht erzählen.

Sibylle Lewitscharoff, 1954 in Stuttgart geboren, lebt in Berlin. Für »Pong« erhielt sie 1998 den Ingeborg-Bachmann-Preis. 2007 wurde sie mit dem Preis der Literaturhäuser ausgezeichnet, 2008 mit dem Marie-Luise-Kaschnitz-Preis und soeben mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2009 für »Apostoloff«.

Artikel vom 28.04.2009
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