Zu Besuch bei dem Kunsthandwerker Otto Stauß in Perlach

Perlach · Aus angewandter Physik wird Kunst

Otto Stauß beim Polieren eines Ringes in seiner Perlacher Werkstatt.  Foto: aha

Otto Stauß beim Polieren eines Ringes in seiner Perlacher Werkstatt. Foto: aha

Perlach · In einer feinen, kleinen Werkstatt in der Sebastian-Bauer-Straße 16 stellt Otto Stauß seit vier Jahren Ringe, Broschen und Ketten her. Allabendlich und als Autodidakt. Über einen selbstgemachten Kupferarmreif und einen historischen Vorderlader kam der gelernte chemisch-technische Assistent (CTA) zur Schmuckherstellung.

Nach 18 Jahren als CTA bei Infineon und anschließend als Servicetechniker für die Halbleiterindustrie in Europa, widmet er sich jetzt in Perlach – »der Dorfcharakter gefällt mir hier!« – seiner Passion. »Tragbare Kunst mit extravagantem Design« nennt Stauß selbst seine Handarbeit. »Billigen Schmuck gibt es genug«, ist seine Erkenntnis und so richtet er sein Hauptaugenmerk auf die Beschaffenheit und Struktur der sichtbaren Oberflächen von Titan, Silber und Gold sowie Edelsteinen jeglicher Couleur. Dabei wendet er Techniken an, die schon die alten Etrusker kannten: Beispielsweise die Granulation von Silber, bei der eine unebene Oberfläche entsteht, auf die Stauß Kügelchen aus demselben Material ohne metallisches Lotmaterial anbringt. Oder aber er bedient sich einer Technik, mit der schon der berühmte russische Goldschmied Peter Carl Fabergé (1846 bis 1920) nicht nur bei den so genannten Fabergé-Eiern aufmerken ließ: Das Dekapieren, bei dem aus Sterlingsilber das Kupfer mittels mehrfachen Aufglühens und Abbeizens herausgelöst wird, so dass auf der Oberfläche eine Feinsilberschicht entsteht.

Diese hat einen anderen Längenausdehnungskoeffizienten als das darunter liegende Sterlingsilber. So fältet sich beim erneuten Aufschmelzen die Oberfläche. »Das ist angewandte Physik«, grinst Stauß und verweist auf sein Kunstwerk »Das goldene Ziel«. Diese als erotisches Schmuckstück konzipierte Brosche ist alles andere als anzüglich, bietet aber einen großen Interpretationsspielraum: Hat ihn hierbei vielleicht die Liebe angeregt? Ist es ein Zylinderkopf, ein Seeigel oder eine Melonenscheibe? Immer setzt sich Stauß mit einer Idee schnell an die Werkbank und lässt das Schmuckstück bei der Bearbeitung entstehen. Er schafft Unikate »für starke Persönlichkeiten, die aufgrund ihres ausgeprägten Selbstbewusstseins nicht nach modischem Schnickschnack suchen, sondern nach einem Schmuckstück, das ihre Persönlichkeit ausdrückt und ihre Individualität unterstreicht«, betont Stauß, der sogar umweltgerecht arbeitet: »Ich nehme zum Dekapieren statt Schwefelsäure eine Alaunlösung, wie sie auch Kinderknete als Feuchthaltemittel zugesetzt wird«. An den Adventswochenenden 13./14. und 20./21. Dezember stellt Stauß seinen Schmuck im Atelier Salettl, Sebastian-Bauer-Straße 12, aus, jeweils Samstag und Sonntag von 15.00 bis 20.00 Uhr.

Angela Boschert

Artikel vom 10.12.2008
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