Amerikanisches Geschwisterpaar will in Deutschland bleiben

Vaterstetten · Was ist das Beste für Trissy und Allen?

Timea Siman setzt alle Hebel in Bewegung, um Trissy und Allen bei sich aufnehmen zu können. Foto: pt

Timea Siman setzt alle Hebel in Bewegung, um Trissy und Allen bei sich aufnehmen zu können. Foto: pt

Vaterstetten · Was ist das Beste für Trissy und Allen? Mit dieser Frage beschäftigen sich seit Wochen Rechtsanwälte, Behörden, Organisationen und inzwischen auch Bürger. Denn das Schicksal der beiden amerikanischen Kinder ist zum Tagesthema geworden. Offenbar lebten die 13-jährige Trissy und deren zwei Jahre älterer Bruder seit fast vier Jahren in Baldham bei einem älteren Pflegepaar.

Aufgrund der Berufstätigkeit des Pflegegroßvaters hielten sich die Kinder jedoch immer wieder außerhalb Deutschlands auf, berichtet der Rechtsanwalt der Pflegefamilie, Florian Alte. Dass die Kinder vom alleinerziehenden Vater in den USA zu dem älteren Ehepaar geschickt wurden, sei der Wunsch aller Beteiligten, auch der Kinder, gewesen. Denn die Pflegegroßeltern, deren Tochter mit einem Bruder des Vaters verheiratet ist, hätten die Kinder von klein auf miterzogen und es bestehe ein herzliches Verhältnis. Dies belegten auch die Zuneigungsbriefe, die die Kinder den Pflegegroßeltern geschrieben hatten, so Alte. Während ihren Aufenthalten in Bayern wurden die Kinder von der Pflegegroßmutter, die schon vier eigene Töchter erzogen hat, per »home-education« unterrichtet – eine in englischsprachigen Ländern gängige Praxis.

Den Baldhamer Nachbarn fiel jedoch auf, dass die Kinder nicht zur Schule gingen. Eine Meldung an das Jugendamt erging vor drei Jahren. Bei dessen Überprüfung habe das Pflegepaar behauptet, dass die Kinder »nur zu Besuch seien«, berichtet Nachbarin Timea Siman. »Da war für das Jugendamt der Fall erledigt«. In den Folgejahren entstanden Freundschaften zu den Kindern in der Nachbarschaft. »Die Geschwister hatten eine Freundin aus dem Haus und mehrere Jugendliche, mit denen sie ihre Nachmittage am Spielplatz verbrachten«, schildert eine Nachbarin in ihrem Leserbrief. Auch hätten sie in den Sommermonaten mit kleineren Nachbarskindern gespielt und in den Gärten der Nachbarn Eis gegessen.

Im Frühsommer entwickelte sich zwischen Allen und einer Tochter von Timea Siman eine Freundschaft. In der Folge waren die Jugendlichen oft dort zuhause. Hier will Siman festgestellt haben, dass die Kinder misshandelt wurden. Zum Eklat mit den Großeltern sei es Ende Juli gekommen als diese den Kindern eröffneten, umziehen zu wollen. Nach einem Streit seien die Kinder in der Nacht zu Siman geflüchtet, schildert diese. Sie informierte das Jugendamt. Aufgrund des Vorwurfs der Misshandlung übernahm das Amt das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder und brachte die Kinder in eine Einrichtung nach Heimstetten – entgegen dem Wunsch von Siman, die die Kinder bei sich aufnehmen will. Allerdings erhielt Siman zunächst Besuchsrecht. Unterstützung für ihren Antrag auf Vormundschaft und Sorgerecht holte sich die gebürtige Ungarin bei verschiedenen Organisationen wie Kinderschutzbund und Refugio, die auch einen renommierten Anwalt von Pro Asyl für die Kinder stellten.

Im Laufe der nächsten Monate verschärfte sich die Situation zwischen Ämtern und Timea Siman, die vermutet, das Jugendamt wolle kein Geld für ausländische Kinder auszahlen, wenn sie die Kinder als Pflegemutter aufnimmt. Auf ihrer eigenen Homepage »sida-bs« bezeichnet sich Siman als »gelernte Sozialpädagogin und Kinderpflegerin, qualifizierte Tagesmutter, Gesprächspsychologin und Lehrerin für Autogenes Training und beruflich selbständig in der Kinderbetreuung, -Erziehungs- und Familienberatung, Seniorenbetreuung sowie als Fachberaterin für tiergestützte Förderpädagogik und Therapie«. Während Siman betont, »für« das Jugendamt als Tagesmutter zu arbeiten, heißt es von der Pressestelle: »Beim Kreisjugendamt Ebersberg liegt für Frau Siman keine Pflegeerlaubnis vor. Es werden keine Pflegekinder an sie vermittelt. Das Jugendamt hat zudem keine Nachweise über eine Ausbildung von Frau Siman als Sozialpädagogin oder Ähnliches«. Einig waren sich Jugendamt, Familiengericht, Konsulat, Pflegegroßeltern und Anwälte, dass eine Unterbringung der Kinder bei Siman »keinesfalls dem Wohle der Kinder dient«, so Rechtsanwalt Alte.

Siman dagegen betont, dass die Kinder nicht weiter bei den Pflegegroßeltern leben wollen, sondern bei ihr. Um eine Rückführung der Kinder in die USA zu verhindern, informierte Siman immer wieder die Tages- und Boulevardpresse sowie mehrere Fernsehsender. Bürger demonstrierten, sammelten Unterschriften, ein Sternenmarsch sollte erst kürzlich auf die Situation der Kinder hinweisen. Trissy und Allen hatten eine Rückführung vor 14 Tagen durch ein dreitägiges Untertauchen in München zunächst verhindert. Nun sind sie wieder in der Heimeinrichtung. Das Münchner Verwaltungsgericht beschloss, dass die Geschwister vorerst nicht in die USA gebracht werden dürfen. Entscheiden muss das Ebersberger Amtsgericht nun über die Zukunft der Kinder.

Petra Tränkel

Artikel vom 12.11.2008
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