Albrecht Ackerland über Wahlfieber

München - „Da schau her“

Neulich rief mich ein alter Spezl an. Regelrecht aufgeregt war er, kurz vor der Schnappatmung. Ich verstand nur Schlagworte, er keuchte zu sehr: Obama. Muss gewinnen. USA. Die Welt. Besser. Endlich Ende. Bush. Erster Schwarzer. Präsident. Unser Mann. Komm!

Ich sah noch einmal schnell meine Post durch, auch die alten Zeitungsstapel durchwühlte ich. Hatte ich eine Wahlbenachrichtigung bekommen und übersehen? Dürfen neuerdings alle den US-Präsidenten wählen, auch wir Deutsche? Wäre ja eigentlich angebracht, schließlich wissen wir alle – spätestens seit der Herrschaft des noch amtierenden Präsidenten mit dem W im Namen – dass den Vereinigten Staaten die Welt gehört. Oder so ähnlich. Leider aber fand ich keine Wahlberechtigung.

Der Freund mit der Schnappatmung ist bekannt für seine Amerikaliebe und seinen kritischen Geist. Zwar beginnt sein Alter auch schon mit einer Vier, der Jugendkultur, der Szene ist er aber fest verbunden. Um nicht zu sagen: Er ist die Szene, die HipHop-Szene. Man könnte fast meinen: Der Mann hat seinerzeit den HipHop in München erfunden. Das ist schon sehr lange her, es muss kurz nach dem Sesshaftwerden der Menschheit gewesen sein. Wahrscheinlich hat er diese große Strömung von hier für die USA erfunden.

Ich sollte also unbedingt kommen. Er organisiere eine Obama-Rallye. In München. Aha. So genannte Rallyes haben bezogen auf US-Wahlen nichts mit dreckverschmierten Kotflügeln zu tun, sondern mit großangelegten Serien von Wahlkampfpartys. Der Endspurt sozusagen. Ganz klar, wie die Münchner Ausgabe des Freundes am Telefon dann auch heißen muss: HipHop for a better world - HipHop für eine bessere Welt.

Der Freund weiß schließlich: Barack Obama, der Mann aus Chicago, dessen erfolgreiche Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika bekanntlich nicht gerade unwahrscheinlich ist, dieser Mann hat afrikanische Vorfahren. Vollkommen klar für den Freund: Obama muss also Rap und HipHop lieben, sowieso kämpft er Kraft seiner Hautfarbe für alle Unterdrückten, und cool ist er sowieso.

Ich muss zugeben: Dieser Obama ist mir recht sympathisch, obwohl er doch ganz schön glatt daherkommt. Ob durch ihn die Welt so viel besser wird? Ob durch ihn die USA so viel menschenfreundlicher werden? Man wird ja wohl noch hoffen dürfen. Die Auswirkungen auf München jedenfalls sehe ich eher nicht, ob er nun gewinnt oder nicht.

Aber schön, dass ich einmal wieder auf eine HipHop-Party eingeladen bin, das passiert im fortgeschrittenen Alter leider doch sehr selten. Es gibt also doch Auswirkungen auf München – schon vor der Wahl. Danke Barack, jetzt schon, für die ein klein wenig bessere Welt.

Artikel vom 29.10.2008
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