Die Abrissarbeiten am Wasserturm in der Dahlienstraße sind in vollem Gange

Lerchenau · Es gibt kein Zurück mehr

Keine gewöhnliche Baustelle: Der ehemalige Wasserturm in der Dahlienstraße ist für die Bauarbeiter eine besondere Herausforderung – weshalb auch mal ein Bagger durch die Luft schweben musste …	Fotos: em

Keine gewöhnliche Baustelle: Der ehemalige Wasserturm in der Dahlienstraße ist für die Bauarbeiter eine besondere Herausforderung – weshalb auch mal ein Bagger durch die Luft schweben musste … Fotos: em

Lerchenau · Spektakuläres gibt es derzeit in der Lerchenau zu sehen: Der ehemalige Wasserturm in der Dahlienstraße wird abgerissen. Und das ist gar nicht so einfach. Denn die Statik ist eine völlig andere als bei anderen Gebäuden: Der Schwerpunkt liegt durch das schwere Wassersammelbecken aus Beton ganz oben.

Daher kann man nicht, wie normalerweise bei einem Abrisss, mit der Baggerschaufel einfach mitten in das Gebäude greifen.

So wollte Baggerfahrer Antonio Minniti vorsichtig oben ansetzen – er dachte, das Betonbecken stünde auf einer tragenden Decke. Doch dann stellten er und seine Kollegen fest: Es handelt sich nicht um eine Decke, sondern um einen »Unterzug«, um Querbalken aus Beton. Somit war es zu gefährlich, mit dem großem Bagger anzugreifen – der Schutt sollte auf keinen Fall ein Nachbarhaus treffen, und eines steht relativ nahe am Abrissgrundstück. Die gefundene Lösung: Hoch aufs Dach – mit einem kleinen Bagger. Den hiefte Minniti mit seinem großen Longfront-Bagger auf den ursprünglich über 26 Meter hohen Abrissturm. Oben setzte sich dann ein Kollege in das kleine Exemplar. »Ich habe ein Problem mit der Höhe«, gibt Minniti schmunzelnd zu. Wesentliche Verzögerungen erwartet er durch dieses Intermezzo nicht beim Abriss; er geht nach wie vor davon aus, dass in der ersten Septemberwoche schon nichts mehr zu sehen sein wird vom ehemaligen Turm.

Die Arbeit von Minniti und seinen Kollegen findet immer wieder interessierte Zuschauer. Die Meinungen über den Abriss sind sehr geteilt – egal ist er kaum einem Lerchenauer. Zum einen gibt es Anwohner aus der direkten Nachbarschaft, die meinen: »Es gibt nichts anderes als den Abriss!« Sie hatten Angst, wenn der Turm für die Allgemeinheit erhalten bliebe, könnte es laut werden unter den Nutzern. Zum anderen gibt es engagierte Stadtteilbewohner, die jahrelang gekämpft haben für eine kulturelle Nutzung des Gebäudes und für einen Stadtteiltreffpunkt, wie es ihn in vielen anderen Stadtbezirken gibt, aber im gesamten 24. Stadtbezirk, Feldmoching-Hasenbergl, nicht.

Der Kampf bestand nicht nur aus Forderungen an die Stadt, den Wasserturm zu erhalten, sondern aus einem detailliert ausgearbeiteten Konzept, das auch Finanzierungsfragen beantwortete und sogar die Umbaupläne einer Architektin beinhaltete. Auch sie, Alexa Loy, hat schon vorbeigeschaut bei den Abrissarbeiten. Gegenüber der Münchener Nord-Rundschau sagt sie: »Natürlich bin ich enttäuscht – für die Bürger der Lerchenau.« Loys Pläne sahen ein Café sowie Ateliers, Veranstaltungs- und Ausstellungsräume vor.

Schwierigkeiten bereitete ihr der für die Dahlienstraße gültige Bebauungsplan, der nur Häuser vorsieht, die zwei Geschosse plus einem Satteldach haben, sowie die Größe der auch von der Höhe eines Gebäudes abhängigen vorgeschriebenen »Abstandsflächen«. Doch schließlich war der Turm schon vorher da – und wurde sogar von der Stadt etwa zwei Jahrzehnte lang zu Wohnzwecken genutzt, argumentiert die Bürgerinitiative zum Erhalt des Wasserturms, »nicht immer den Weg des Althergebrachten zu gehen.«

Spricht man mit Stadtteilpolitikern und liest man Protokolle von Zusammenkünften zwischen Vertretern der Landeshauptstadt und Aktiven der Bürgerinitiative, kommt man tatsächlich zu dem Schluss, dass baurechtliche Bedenken eher vorgeschoben waren und es eigentlich nur um die finanzielle Seite des Problems ging. Die Initiative hatte Zusagen von Investoren über insgesamt 1.500.000 Euro für die nötigen Umbaumaßnahmen. 200.000 Euro davon sollten an die Stadt gehen als Kaufpreis für das Grundstück – die hatte es aber inzwischen zur Versteigerung ausgeschrieben und dabei 700.000 Euro als Mindestgebot festgelegt. Martin Schreck, Begründer der Initiative für den Wasserturm, ist von dieser »Sparsamkeit« der Stadt besonders enttäuscht, da schon der Antrag auf ein Stadtteilzentrum für den 24. Stadtbezirk Haushaltssperren zum Opfer fiel – und nun noch nicht einmal mit 1,5 Millionen Euro aus privaten Mitteln plus viel ehrenamtlicher Arbeit aus der Bevölkerung selbst ein Treffpunkt für den Stadtteil zustande kommt.

Außerdem war der Wasserturm über sieben Jahrzehnte lang das Wahrzeichen der Siedlung. Schreck enttäuscht: »Die Lerchenau verliert ihr Gesicht – und wir bleiben kulturell auf der Strecke.« Und noch etwas schmerzt ihn, wenn er den Abriss beobachtet: »Unser sehr innovatives Energiekonzept für den Turm hat man sich gar nicht erst angeschaut. Es hätte sich um ein Brennstoffzellen-Pilotprojekt gehandelt.«

Auch Heide Rieke (SPD), Stadträtin aus dem Bezirk, bedauert das Scheitern der Initiative, meint aber, das Konzept wäre, vor allem finanziell, nicht umsetzbar gewesen. Einen anderen Stadtteil-Treffpunkt kann aber auch sie nicht in Aussicht stellen, verspricht nur, an dem Thema »dranzubleiben« und verweist auf Ideen für »mobile Kulturangebote«. Alexa Loy hingegen betont die Ausgereiftheit des Konzepts der Initiative: »Wir waren keine Naivlinge.«

Nach dem Turm wird es mit dem Bau eines Wohnhauses für zehn Parteien weitergehen, das der Architekt Wilhelm Hopfinger für den seinerzeit meistbietenden Investor, Kurt Arthuber, geplant hat. Er verspricht »menschenfreundliche« und bezahlbare Mietwohnungen, deren Kaltmiete je nach Größe der Wohnung bei etwa 11,50 Euro liegen wird. Die Wohnungen sollen zwischen 55 und 100 Quadratmeter groß werden und sich teilweise über zwei Etagen erstrecken. Der »Energiepass« des Hauses soll wesentlich günstiger ausfallen als nach den aktuellen Mindestanforderungen. So will er nicht mit fossilen Brennstoffen, sondern über eine Wärmepumpe mit Grundwasser heizen.

Über zehn neue Wohnungen darf sich die Lerchenau also freuen. Zu beklagen gilt es den Verlust einer einmaligen Chance für nachhaltiges Engagement, für Identifikation mit dem Stadtteil und für Kultur. Die Frage ist, was schwerer wiegt. Eva Mäkler

Artikel vom 26.08.2008
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...