Schwester Adelgunde aus Berg am Laim trifft nach 62 Jahren Ex-Schützlinge

Berg am Laim · KZ-Kinder kehren zurück

Nach 62 Jahren wieder vereint: Schwester Adelgunde (re.) traf kürzlich Hans Neumann (li.). Einer von vielen Kindern,  die in den Konzentrationslagern grausame Dinge erlebt hatten und die die Ordensschwester wieder aufgepeppelt hatte. 	Foto: Orden

Nach 62 Jahren wieder vereint: Schwester Adelgunde (re.) traf kürzlich Hans Neumann (li.). Einer von vielen Kindern, die in den Konzentrationslagern grausame Dinge erlebt hatten und die die Ordensschwester wieder aufgepeppelt hatte. Foto: Orden

Berg am Laim · Sie war streng aber herzlich und die erste Frau nach dem Krebstod seiner Mutter, der Hans Neumann wieder vertrauen konnte. Und deshalb betrat der heute 79-Jährige kürzlich auch zum ersten Mal seit 62 Jahren wieder deutschen Boden, um die katholische Ordensschwester Adelgunde im Berg am Laimer Altenheim St. Michael zu besuchen.

Neumann war nur einer von vielen Kindern und Jugendlichen, die Schwester Adelgunde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs betreute. Alle von ihnen waren durch die Greueltaten des NS-Regimes schwer traumatisiert. Auch Neumann hat bis heute mit niemandem über seine Zeit im Konzentrationslager Theresienstadt gesprochen.

Doch mit ihrer Wärme und Herzlichkeit half die Ordensschwester den meist jüdischen Kindern ihren Weg zurück ins Leben zu finden. So schaffte es auch Neumann sich ein glückliches Leben aufzubauen. Er lebt heute mit seiner Frau und zwei Kindern in der Nähe von London. Obwohl es ihm damals gar nicht schnell genug gehen konnte, aus Deutschland wegzukommen, trägt er beim Wiedersehen mit Schwester Adelgunde im Kloster Indersdorf, wo die Kinder damals untergebracht waren, ein Deutschland-Trikot. Denn der Ex-Schützling Neumann erinnert sich noch lebhaft daran, wie er gemeinsam mit Adelgunde Fußball gespielt hatte. Zum ersten Mal nach dem Krieg erfuhr er bei den Ordensschwestern ein Gefühl von Schutz und Geborgenheit.

Zusammen mit der United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) peppelten die Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul die Kinder im Kloster Indersdorf auf.

Seit der Umwandlung des Klosters in eine Realschule und der Auflösung der Waisenstation ist viel Zeit vergangen. Schwester Adelgunde ist gelernte Kindergärtnerin und hat über 31 Jahre im Berg am Laimer Orden gearbeitet, wie zuvor auch schon im Kloster Indersdorf.

Etwa 300 so genannte »displaced persons« im Kindes- und Jugendalter hatte der Orden aufgenommen. Für Schwester Adelgunde war es besonders schwer, die Kinder aus über 20 Nationen in eine ungewisse Zukunft, in fremde Länder, zu neuen Eltern zu entlassen.

Sie ist mittlerweile 91 Jahre alt, aber an den Hans kann sie sich auf einem Kinderfoto noch immer erinnern. »Schwester Adelgunde ist nicht mehr die fitteste, umso erstaunlicher ist ihr Erinnerungsvermögen an die schwere Zeit«, erklärt der Sprecher der Barmherzigen Schwestern Wolfgang Dausch.

Dass der Hansi, wie Adelgunde den 79-Jährigen liebevoll nennt, einen festen Platz im Herzen der Ordensschwester hat, zeigte sich eindrucksvoll bei der Verabschiedung. Dausch: »Adelgunde drückte ihren Ex-Schützling fest an sich. Erstaunlich, schließlich sind Umarmungen für Ordensschwestern eher untypisch.«

K. Schubert / A. Koller

Artikel vom 19.08.2008
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