Albrecht Ackerland über Muttertag

München - „Da schau her“

Das hätte ihr so gepasst: Als ich vorige Woche mit meiner Mutter telefoniert habe, jubelte sie regelrecht in einer schnippischen Art, wie sie eigentlich recht untypisch für sie ist. Sie hatte ihre Grandezza verloren. Denn: Sie hatte mitbekommen, dass in diesem Jahr in manchem Kalender zwei Muttertage eingetragen sind – der 4. und der 11. Mai.

„Da musste ich jetzt also fast achtzig Jahre warten, bis mir endlich angemessen gehuldigt wird.“ Bescheidenheit ist nicht ihre Sache, schwulstige Wortwahl bisweilen umso mehr. Nun gut: Die arme Frau musste Unfassbares in ihrem Leben leisten, kaum ein Verstand kann der Anzahl ihrer Kinder in vollem Umfang beikommen: zwei Söhne. Stellen Sie sich das einmal bitte vor, versuchen Sie’s wenigstens.

Sie lachen? Ich auch, vor allem weil meine Mutter diesen „Heuer-sind’s-zwei Muttertage“-Schmarrn einigermaßen ernst nimmt. Eigentlich pflegt sie ja einen recht ansehnlichen Humor, die Schorle in ihrer Blutbahn aus väterlicher Wiener und mütterlicher Münchner Herkunft schadet ganz und gar nicht. Nur bei ihrem Dasein als Mutter, da wird die Sache ernst.

Seit gefühlt 1780 predige ich, dass ich ihr 365 Tage im Jahr huldige, und dass der Muttertag nichts als eine gemeine Erfindung der Floristen ist, um ihr vom Frühling gebeuteltes Geschäft – Blumen allerorten – in Gang zu bringen. Nicht, dass ich etwas gegen Floristen hätte, ein ehrbarer Beruf. Aber wo kämen wir da hin, wenn sich jede Branche einen Sonder-Tag raussucht? Ein Wunder, dass die Metzger oder Brauer noch nicht den Vatertag für sich entdeckt haben. Okay, ihren Absatz machen sie an jenem denkwürdigen Tag auch ohne Marktschreierei auf Plakaten: „Denk’ dran, Vatertag! Ein Tragerl Bier, das bringt’s! Acht Paar Schweinswürschtel? So wenig ist dir dein Vater wert?“

Meine Mutter ist mir wirklich sehr viel wert, trotzdem muss sie sich mit dem einen Muttertag begnügen – der, der am 11. Mai ist, der echte, der am zweiten Sonntag im Mai. Punkt. Aus.

Dass manche schon vergangenen Sonntag panisch die Sträuße durch die Gegend gefahren haben, liegt daran, dass morgen eben auch Pfingsten ist. Da bleiben die Läden zu. Eigentlich. Wie an jedem anderen Sonntag ja auch. Außer den Läden von: Floristen und Bäckern. Warum also der ganze Zirkus? Fragen Sie mich was Leichteres – oder wenn Sie wollen auch meine Mutter. Vorausgesetzt, sie kann am morgigen Sonntag vor Freude überhaupt sprechen, bekommt sie doch neben den 30 Nelken auch noch einen Kasten Bier. Mama ist die Beste.

Artikel vom 08.05.2008
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