»Handy-Verbot«: Interview mit zwei CSU-Stadträten

»Schilda oder Weltstadt?«

München · Bogenhausener/Haidhausener Anzeiger: In einer jüngsten Stadtrats-Anfrage an den Oberbürgermeister kritisieren Sie indirekt das Handy-Verbot in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Warum?

Stadtrat Ruhfaß: »München ist der einzige große Verkehrsverbund in ganz Deutschland, der die Handy-Benutzung verbietet. In den U-Bahn-Tunnels einschließlich der Bahnhöfe ist es auch momentan technisch gar nicht möglich. Dabei wäre es für das Sicherheitsgefühl vieler Fahrgäste sicher beruhigender, wenn sie vor allem nachts bei Störungen ihr Mobiltelefon benutzen könnten.

Man denke aber auch an die vielen Geschäftsreisenden, die z.B. wegen der Messe in München sind. Will man diesen Leuten wirklich zumuten, während der Fahrzeit in der U-Bahn nicht erreichbar zu sein? Jedes Kind hat heute schon ein Handy – offenbar hat sich diese Tatsache bei den Münchner Stadtwerken noch nicht herumgesprochen. Kommunikation gehört zu den wichtigsten Wachstumsbranchen, aber doch nur dort, wo man auch kommunizieren kann. Wer in der U-Bahn nicht telefonieren will, kann sein Gerät ja ausschalten.«

Bogenhausener/Haidhausener Anzeiger: Aber eine Umfrage der Münchner Stadtwerke besagt, dass 62 % der Fahrgäste gegen die Handy-Benutzung sind. Stadtrat Brannekämper: »Ich glaube nicht, dass diese angebliche Meinungsumfrage wirklich die allgemeine Stimmung wiedergibt. Allein im letzten Jahr hat sich die Zahl der Handy-Besitzer mehr als verdoppelt. Es gibt in Deutschland inzwischen mehr Mobiltelefone als Festnetzanschlüsse. Über die Umfrage der Stadtwerke wissen wir so gut wie nichts: Weder wann und wer befragt wurde, in welchem Zusammenhang gefragt wurde, noch wie viele Personen beteiligt wurden. Die Realität sieht anders aus: Wir verlangen eine seriöse und nachvollziehbare Befragung der Fahrgäste.«

Bogenhausener/Haidhausener Anzeiger: In diesem Monat führt der MVV eine allgemeine Fahrgastbefragung in seinen Bussen und Bahnen durch... Stadtrat Ruhfaß: »Richtig. Was aber bislang nur bekannt ist, dass die Fahrgäste nach Einstiegsbahnhof und Ziel gefragt werden und wie oft sie den MVV in der Woche benutzen. Seit die rot-grüne Mehrheit im Stadtrat mit dem Oberbürgermeister die Stadtwerke, und damit auch die Verkehrsbetriebe, der politischen Kontrolle des Stadtrats durch Gründung einer GmbH entzogen hat, werden die Stadträte nur noch mangelhaft informiert. Wir haben uns deshalb an die Leitung der Stadtwerke gewandt und sie aufgefordert, bei der Fahrgastbefragung auch nach der Meinung über eine Benutzung von Handys zu fragen.«

Bogenhausener/Haidhausener Anzeiger: Haben Sie schon eine Antwort? Stadtrat Brannekämper: »Nein, so schnell mahlen die Mühlen der Stadtwerke auch nicht. Wir rufen aber alle Fahrgäste auf, bei der Befragung in diesem Monat die Handy-Benutzung anzusprechen und die Interviewer zu bitten, ihre Meinung in dem Fragebogen zu vermerken. Nur so können zuverlässige Zahlen über die wahre Meinung des Volkes festgestellt werden.«

Bogenhausener/Haidhausener Anzeiger: Da sie so vehement für die Handy-Benutzung sind: Haben Sie keine Sicherheitsbedenken? Stadtrat Ruhfaß: »Ich halte Sicherheitbedenken für ein vorgeschobenes Argument. Es ist bislang kein Fall bekannt, dass wegen eines angeschalteten Handys ein Bus oder eine U-Bahn verunglückt ist. Selbst der Geschäftsführer des MVV bestätigt dies ausdrücklich. Im übrigen: Die Sicherheitsstandards sind in Deutschland überall gleich. Warum soll also im Ruhrgebiet oder in Berlin das Telefonieren mit Handy im Bus ungefährlicher sein als in München? Wir verstehen das nicht.«

Bogenhausener/Haidhausener Anzeiger: Nun, ganz ist die Handy-Entwicklung an den Stadtwerken offenbar aber auch nicht vorübergegangen: Immerhin kann man Fahrplanauskünfte mit Handy abrufen und künftig soll sogar das Lösen eines Fahrscheins per Handy möglich sein... Stadtrat Brannekämper: »Das ist ja gerade der Witz. Wenn Sie am Marienplatz am Bahnsteig stehen und eine aktuelle Fahrplanauskunft per Handy einholen wollen, dürfen bzw. können Sie das jetzt nicht. Im Taxi oder im eigenen Pkw ist der betreffende Service sicher eher uninteressant. Wie das bei bestehendem Handy-Verbot mit dem Fahrkartenlösen per Handy funktionieren soll, ist für mich ein Rätsel. Das ganze Verhalten der Münchner Stadtwerke mit ihrem Aufsichtsratsvorsitzenden OB Ude erinnert eher an Schilda als an eine Weltstadt.«

Bogenhausener/Haidhausener Anzeiger: Ihr Vorschlag? Stadträte Ruhfaß und Brannekämper: »Das Handy-Verbot in U-Bahn, Bus und Tram muss fallen – und zwar sofort! Dafür treten wir ein.«

Artikel vom 07.02.2001
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