Von langen Nächten, Kommunen und Flaniermeile ist nicht mehr viel geblieben

Das alte Schwabing ist tot

Polizeihauptkommissar Olaf Schleicher und die Kontaktbeamten Ernst Schach und Peter Woska (v. li.) zeigen an der Münchner Freiheit Präsenz. 	Foto: ks

Polizeihauptkommissar Olaf Schleicher und die Kontaktbeamten Ernst Schach und Peter Woska (v. li.) zeigen an der Münchner Freiheit Präsenz. Foto: ks

Schwabing · Der Schlüssel steckt im Zündschloss, das Auto ist abgesperrt und auf dem Beifahrersitz prangt ein Strafzettel in Höhe von 15 Euro. Pech für den Autoinhaber, Alltagsarbeit für die Kontaktbeamten der Polizeiinspektion Schwabing (PI 13). Bei ihrem Rundgang über die Münchner Freiheit plaudern Polizeihauptkommissar Olaf Schleicher und Polizeihauptmeister Ernst Schach aus dem Nähkästchen und werden immer wieder von Passanten angesprochen.

»Wir zeigen Präsenz, aber die Lage ist ruhig«, erklärt Schleicher. Die Straßenkriminalität ist mit sieben Prozent weniger als im Jahr 2006 rückläufig. Und auch die Zeiten langer Nächte und ausgelassener Partys im Stadtbezirk gehören längst der Vergangenheit an.

»Schwabing hat sich von einem Ausgehviertel zu einer kulturellen Plattform entwickelt«, meint Schleicher. Er hat selbst zwei jugendliche Kinder und die ziehen längst nicht mehr durch Schwabing. »Die gehen eher in die Clubs rund um den Maximiliansplatz. In den ›Kunstpark Mitte‹, wie wir Beamten ihn nennen.« In Schwabing dagegen würden die Ladenbetreiber kommen und gehen. »Wo früher Kneipen waren, schießt jetzt ein Mobilfunkanbieter und eine Kaffeebar nach der anderen aus dem Boden. Die Leopoldstraße ist ein Fastfoodboulevard«, meint Schleicher.

Auch die vormals oft verscheuchten Obdachlosen an der Münchner Freiheit gehören dort schon fest zum Inventar und kaum einer störe sich noch daran. »Die Obdachlosen-, Alkoholiker- und Drogenszenen verschwimmen ineinander. Hier herrscht aber nicht Mord und Totschlag. Es sind nur kleine Streitigkeiten.« Die turbulenten Jahre sind aus Sicht Schleichers vorbei: »Das alte Schwabing lebt nicht mehr«.

Gefährliche Körperverletzungen gab es im letzten Jahr dreimal an der U-Bahnstation Münchner Freiheit. »Das ist verschwindend gering.« Doch von ihrer Inspektion in der Johann-Fichte-Straße 6 sind die insgesamt 160 Beamten auf dem schnellsten Wege an der Münchner Freiheit, um einzugreifen. Zehn von ihnen sind Kontaktbeamte. Die Streitschlichtung ist nicht immer einfach, denn eines habe sich in den letzten Jahren doch verändert: »Die Täter werden immer rücksichtsloser«, meint Schach. »Früher verbot es einem die Ehre einen bereits auf dem Boden liegenden noch mal anzufassen. Heute wird einfach zugetreten.« Dies sei aber ein stadtweites Problem und nicht »schwabingspezifisch.«

Ein echtes Schwabinger Phänomen sei hingegen die so genannte Fanmeile. »Die Fußball-WM 2006 war natürlich eine Ausnahme, da sie ja im eigenen Land stattfand«, erläutert Schleicher. Die Anwohner hätten sich mittlerweile an die spontanen Feierlichkeiten gewöhnt, wenngleich manche von ihnen trotzdem sofortigen Polizei-Einsatz fordern würden. »Die Leute meinen, wir müssen das Hupen sofort abstellen, aber bei 50 Autos ist das gar nicht einfach. Da sind Massen in Aktion«, erklärt Schleicher.

So wie kürzlich bei einer spontanen Feier zur Unabhängigkeit zahlreicher Kosovaren auf der Leopoldstraße, bei der ungewöhnlich viele Anwohner sich wegen des Hupens gemeldet hatten. Die massenhaften Beschwerden sind eher eine Ausnahme: Seit zehn Jahren arbeitet Schleicher bei der PI 13 und ist sich sicher: »Heute lebt hier eine bunte Mischung. Es gilt ein tolerantes ›Leben und Leben lassen‹.« K. Schubert

Artikel vom 11.03.2008
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