Albrecht Ackerland über Wahlkampf

München - „Da schau her“

Es wird freilich alles so bleiben, wie es ist – auch nachdem am kommenden Sonntagabend die Wahllokale geschlossen haben. Die grüne Partei der großen Veränderungen wird auch in den nächsten sechs Jahren die Stadtregierung mit ihrer Spießigkeit bereichern, und Christian Ude bleibt heterosexuell.

Die einzige große Entwicklung wird sein, dass unser Oberbürgermeister in seiner nun folgenden, letzten Amtszeit noch mehr zu seiner eigenen Karikatur werden wird, die es irgendwann schafft, nicht mehr nur jedes Wort im Satz einzeln zu betonen. Es kommt der Tag, da gelingt es dem Ude, jeden Buchstaben zu betonen – damit endlich auch den Tauben klar wird, dass unser OB a) eine Meinung hat und b) immer ein bisserl ironische Distanz wahrt zu sich selbst und dem Amt, das seit ungefähr zwanzig Jahren ungeheuerlich sein Ziel verfehlt.

Aber, so ist das nun mal a) in der Demokratie und b) in München: Ein Besserer muss sich erst einmal finden. Trotzdem hätte ich mir mehr Wahlkampf gewünscht in den letzten Wochen, gerade Christian Ude tut ja sonst immer so kreativ. Schon klar: Für ihn ist immer irgendwie Wahlkampf, so ist das in der Politik mitunter, also lassen sich der Wiesnanstich und die von ihm beehrte Schwulenparade Christopher Street Day getrost als Werbeauftritt verbuchen. Wer so fleißig ist das ganze Jahr über, von dem darf man wirklich nichts Erfrischendes zu einer Wahl erwarten, die ohnehin schon entschieden ist.

Warum ich mir da so sicher bin? Weil ein Mann, der auf den staatsmannhaften Namen „Seppi“ hört, Udes Konkurrent ist, und dieser Mann gerne ein bisserl so wie Roland Koch wäre, und seine Parteikollegen machen bei diesem Schmarrn brav mit.

Eines weiß ich von den Münchnern: Sie sind gelassen und menschenfreundlich – was sie freilich nicht hindert, ordentlich zu granteln. Aber Werbung mit einer vermuteten Angst zu machen, wie auf den U-Bahn-Schläger-Plakaten vor ein paar Wochen geschehen, das ist nicht münchnerisch. Nun gut, was reimt sich scho’ auf Sepp?

In meinem geliebten Giesing, das seit Jahrzehnten seinen Charme nicht zuletzt von den vielen eingewanderten Freunden aus Griechenland und sonst woher hat, da konnte man in den letzten Wochen dann übrigens doch noch ein wenig Wahlkampfspaß haben. Es treten an: Hans Hammer und Lisa Wurst. Dieser Hammer war mir erst mal grundsympathisch, seine Plakate waren von puristischer Natur: „Lernen Sie Hans Hammer kennen!“ stand auf ihnen, und unweigerlich dachte ich an einen Superhelden-Comic. Dann fiel mir aber ein Flugblatt vom Hammer-Hans und der Wurst-Lisa in die Hände, auf dem die Forderung stand, der Ausländeranteil in städtischen Wohnungen solle auf 20 Prozent beschränkt werden. Gerne würde ich das Angebot annehmen und den Hammer kennen lernen, um ihn zu fragen, ob a) das Gyros geschmeckt hat, und b) was sich auf Sepp reimt.

Ich freue mich wie jedes Mal aufs Wählen, das sind einfach immer wieder schöne Momente im Leben eines Demokraten. Ein Kreuzerl hier, ein Kreuzerl da, Pflicht getan, Spaß gehabt, nichts verändert, aber irgendwie auch gut so.

Artikel vom 29.02.2008
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