Verwaltungsgericht rüffelt die Stadt wegen Betretungsverboten in Haidhausen

Rechtswidriges Verfahren

Die Polizei kann keine Betretungsverbote und Zwangsgeldandrohungen im Namen der Landeshauptstadt erlassen. Das Verwaltungsgericht München hat zumindest das Verfahren zum Erlass für rechtswidrig erklärt.

Wer als Drogengebraucher von der Polizei an bestimmten Orten angetroffen wird (z. B. Orleansplatz oder Englischer Garten) wird von seiten des Kreisverwaltungsreferates in Zusammenarbeit mit der Polizei mit einem Betretungsverbot und einer gleichzeitigen Zwangsgeldandrohung bei Zuwiderhandlung überzogen. Die 17. Kammer des Verwaltungsgerichts hat festgestellt, dass die gängige Verfahrenspraxis der Verhängung von Betretungsverboten und Zwangsgeldandrohungen rechtswidrig ist. (AZ: M 17 K 97.7490). Derzeit werden sowohl das Betretungsverbot als auch die Zwangsgeldandrohung im Namen der Stadt von der Bayerischen Polizei übergeben. Das Verwaltungsgericht München hat festgestellt, daß diese Zusammenarbeit über die bloße Mitwirkung hinausgeht. Es handelt sich hier nach Ansicht des Gerichtes auch nicht um Amts- oder Vollzugshilfe und es sei auch kein “gemeinsamer³ oder “zusammengesetzter³ Verwaltungsakt. Derzeit bemüht sich das Kreisverwaltungsreferat um die Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgerichtshof. Die Bündnis-Grünen fragen daher Oberbürgermeister Christian Ude: »Wie viele Betretungsverbote und Zwangsgeldandrohungen wurden im Laufe der letzten Jahre mit der vom Verwaltungsgericht für rechtswidrig erklärten Praxis erlassen? Welche Auswirkungen hätte es auf die bereits erlassenen Betretungsverbote und Zwangsgeldandrohungen, wenn dieses Urteil rechtskräftig werden würde? Falls das Gericht die erlassenen Bescheide für nichtig erklärt, muß die Stadt zurückzahlen. Wie wird das KVR reagieren, wenn das Gericht die Bescheide für rechtswidrig erklärt? Wie viele Zwangsgeldbescheide wurden im Lauf der letzten Jahre erlassen? In welcher Höhe wurde Zwangsgeld festgesetzt? Wird die Stadt München die eingetriebenen Zwangsgelder zurückerstatten, wenn sich die Bescheide als nichtig bzw. rechtswidrig erweisen? Gleichzeitig mit dem Urteil wurde bekannt, daß offensichtlich jeder Besitzer von Betäubungsmitteln mit Betretungsverbot und Zwangsgeldandrohung überzogen wird. In anderen Bundesländern haben die Staatsanwaltschaften aufgrund des einschlägigen Bundesverfassungsgerichtsurteils Mindestmengen festgesetzt, unterhalb derer von einer Strafverfolgung abgesehen wird. Für Bayern gilt eine solche Mindestmenge nicht. Die Polizei muß also eine Strafverfolgung einleiten. Es bleibt aber die Frage für das Kreisverwaltungsreferat: Ist das KVR der Meinung, dass bei jeder Menge ­ auch bei Besitz nur einer einzigen Konsumeinheit für den Eigenbedarf ­ jederzeit mit Betretungsverboten und Zwangsgeldandrohungen gearbeitet werden soll? Wie übt das Kreisverwaltungsreferat sein Ermessen aus, wenn überhaupt keine Einzelfallbewertung durch die Angestellten des KVR möglich ist, da die entsprechenden Verfügungen von PolizistInnen vor Ort ohne Anwesenheit der tatsächlich zuständigen SachbearbeiterInnen erlassen werden? Gibt es Richtlinien die an die Polizei weitergegeben werden, insbesondere bezüglich der Vorgehensweise im Einzelfall? Enthalten diese Richtlinien Aussagen bezüglich der festgestellten Menge oder hinsichtlich der Frage ob es sich um den ersten Verstoß oder einen wiederholten Verstoß handelt? Wie wird das Kreisverwaltungsreferat seine Praxis ändern, um eine wirkliche Einzelfallentscheidung durch das KVR zu gewährleisten«? N. F.

Artikel vom 30.08.2000
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