»Fundorte« sammelt vergessene Erinnerungen: Entdeckungen in Schwabing

Schwabing · Spurensuche im Stadtteil

Fundort Hinterhof Ainmillerstraße 32: Im zweiten Stock sind drei Zimmerwände der Klee-Wohnung zu erkennen. Fotos: VA

Fundort Hinterhof Ainmillerstraße 32: Im zweiten Stock sind drei Zimmerwände der Klee-Wohnung zu erkennen. Fotos: VA

Schwabing · Mit dem Projekt »Fundorte. Wenn Geschichte lebendig wird.« lädt das Kulturreferat Münchnerinnen und Münchner zu einer »Spurenlese« der eigenen Stadt ein – im Rahmen des 850. Stadtgeburtstages. Gesucht werden Orte im eigenen Haus, in der Straße, in der Nachbarschaft, die eher nicht in einem Reiseführer zu finden sind und für die es bislang keine Gedenktafeln gibt.

Für Schwabing gibt es schon einige interessante Fundorte. Etwa eine scheinbar unspektakuläre Brandmauer im Hinterhof in der Schwabinger Ainmillerstraße 32. Bei seinen Recherchen zu Paul Klee fand der Künstler Joachim Jung dort die Umrisse einzelner Zimmer der Wohnung, in der der bedeutende Maler mit seiner Familie von 1906 bis zu Beginn der 1920er-Jahre lebte. Joachim Jung, selbst Maler, besuchte Klees Sohn Felix in der Schweiz, der die Wohnung detailliert beschreiben konnte. »Das ist das Musikzimmer meiner Mutter, und da haben wir das Bad und dann hier die Mädchenkammer. Es war auch Gästekammer.« Und die wurde, wenn sie nicht belegt war, eine Kammer zur Ablage der Bilder von Paul Klee. Er malte meist in der Küche seiner Wohnung, in der bis 1921 entscheidende Werke entstanden.

Das Haus, in dem Klee mit Frau und Kind wohnte, gibt es nicht mehr. An seiner Stelle stehen heute Garagen, und im Hinterhof ein Flachbau in dem eine Betriebsschreinerei untergebracht ist. »Wer die Brandmauer ›lesen‹ kann, schaut noch heute direkt in das Atelier von Paul Klee«, sagt Tatiana Hänert von »kulturvergnuegen«, die mit Marta Reichenberger das Projekt organisiert.

»Es ist spannend, die eigene Stadt und die Nachbarschaft zu entdecken«, meint Hänert. Dabei sollen sich die Fundorte durch alle Jahrhunderte ziehen, etwa ein Stück Jugendkultur der 1950er-Jahre oder Kinogeschichte. »Wichtig ist, dass es ein optisch wahrnehmbarer Ort ist, dass Reste zu sehen sind, auch wenn’s nur fünf Steine sind«, erklärt Hänert. Oder Reisegepäck. Dokumente in einem im Keller ihres Wohnhauses gefundenen Koffers weckten die Neugierde einer Schwabingerin. Sie begann, die Lebensgeschichten ehemaliger Hausbewohner in der Jakob-Klar-Straße zu recherchieren. Die Spur führte von Briefen der Nazi-Größe Hans Frank zum Schicksal jüdischer Bewohner.

Ausgangspunkt dieser Spurensuche können auch Erzählungen der Oma oder Nachbarn sein, die in keinem Geschichtsbuch auftauchen. Bis Ende März wird gesammelt. Bei den »Tagen der Münchner Stadtgeschichte« am 5. und 6. Juli werden fünf ausgewählte Orte, deren Geschichte in Vergessenheit geraten ist, präsentiert, etwa mit Führungen in der Jakob-Klar-Straße. Wer einen solchen Ort kennt oder bereits selbst geforscht hat, kann mit seinen Hinweisen zum Projekt beitragen. Am 9. Januar, 13. Februar und 12. März, jeweils von 16 bis 18 Uhr, erwarten Hänert und Reichenberger hoffentlich viele interessante Vorschläge im Stadtmuseum, St. Jakobs-Platz 1 (Zugang über Oberanger), bei der »Fundstelle« – oder telefonisch unter Tel. 3 07 31 25. ms

Artikel vom 08.01.2008
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