FDP-Stadträtin Hirsch: Vor dem Abi in den Hörsaal

München - Als Schüler an die Uni

Bei der Kinder-Uni können Schüler erstmals Hörsaal-Luft schnuppern. Foto: LMU

Bei der Kinder-Uni können Schüler erstmals Hörsaal-Luft schnuppern. Foto: LMU

Früh übt sich, wer Nobelpreisträger werden will: FDP-Stadträtin Nadja Hirsch will ehrgeizige Gymnasiasten in Zukunft bereits vor dem Abitur an die Hochschule schicken. In einem Antrag forderte sie das Schulreferat sowie die Münchner Universitäten dazu auf, ein Konzept für ein sogenanntes Junior-Studium zu erarbeiten. Ein solches würde eine frühzeitige Orientierung im Uni-Alltag ermöglichen und die endgültige Berufswahl vereinfachen. Auch Kinder aus bildungsfernen Schichten hätten damit die Möglichkeit, ohne Druck in die Uni hineinzuschnuppern.

Das Schulreferat und die Unis reagierten indes verhalten auf den Vorschlag. „Wir sind froh, wenn wir Schüler aus bildungsfernen Schichten überhaupt erst mal aufs Gymnasium bringen“, sagt Schulreferats-Sprecherin Monika Monat. Und Franziska Müller-Härlin von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) ergänzt: „Für solche Angebote fehlt es an Personal.“

Ganz neu ist die Idee nicht. Rund 1000 Schüler sind deutschlandweit an Universitäten eingeschrieben – obwohl sie noch zur Schule gehen. Drei bis sechs Prozent eines Jahrgangs sind nach Expertenmeinung für ein Junior-Hochschulstudium geeignet. „Tatsächlich aber besucht oft nur ein Prozent der Schüler die Uni bereits während der Schulzeit“, sagt FDP-Stadträtin Hirsch. Das soll sich ändern: Ebenso wie an einigen anderen Universitäten Deutschlands sollen Schüler die Gelegenheit haben, bereits vor dem Abitur an die Uni zu gehen, um dort erste Scheine zu sammeln – oder um sich einfach zu orientieren.

Franziska Müller-Härlin von der Kontaktstelle Gymnasien der LMU hält nicht viel von diesem Vorschlag: „Schule muss Schule bleiben und Uni soll Uni sein.“ Schließlich kämen auch die Schullehrer ins Rudern, wenn ein paar Uni-Schlaumeier künftig den Schulstoff mit dem Wissen aus der Hochschule messen. Praktisch gesehen sei das Personal an den Unis ohnehin knapp – „ein weiteres Argument, warum es schwierig sein dürfte, Kurse für den Nachwuchs anzubieten“.

Zudem gebe es bereits viele Angebote zur Nachwuchsförderung an der LMU: Beim regelmäßig stattfindenden Tag der offenen Tür etwa werden 80 Studienfächer vorgestellt – das nächste Mal am 1. Februar im Hauptgebäude der Uni am Geschwister-Scholl-Platz 1. Im Schullabor der LMU dürfen Schulklassen zudem naturwissenschaftliche Experimente machen – an Instrumenten, die sich Schulen gar nicht leisten können. Die regelmäßigen Kinder-Vorlesungen würden außerdem die ganz Kleinen für die Hochschule begeistern. Und wer den Hochschulbetrieb intensiver kennenlernen will, kann in den Sommerferien ein einwöchiges Probestudium absolvieren – in der Regel in den Fächern Mathematik, Physik, Chemie oder Philosophie.

Stadträtin Hirsch kennt die Angebote – ausreichend aber sei die universitäre Nachwuchsförderung noch nicht: „Das sind lediglich zeitlich begrenzte Angebote, die keinen wirklichen Einstieg ins Studium bewirken“, kritisiert sie. Sie würde es vielmehr begrüßen, wenn die Systeme „Schule“ und „Uni“ eng miteinander verzahnt wären – damit sich Überflieger, die in der Schule unterfordert sind, nicht langweilen. „Es darf nicht nur eine Förderung für schwache Schüler geben – auch Begabte müssen gemäß ihres Könnens unterstützt werden“, sagt sie. Hirsch selbst hatte in der Kollegstufe den Biologie-Leistungskurs belegt, während ihres Psychologie-Studiums wurde ein Teil des Stoffs nochmals durchgekaut. „Es wäre doch effektiv gewesen, wenn ich gleich in der Schulzeit eine Prüfung über den Stoff auch in der Uni hätte ablegen können, das hätte mir Zeit gespart“, sagt sie.

Müller-Härlin von der Kontaktstelle Gymnasien der LMU warnt allerdings davor, Schüler mit solchen Angeboten zu überfordern. Sie berichtet von einer Mutter, die bei ihr nachfragte, ob es denn möglich sei, die 12-jährige Tochter ein Jura-Studium beginnen zu lassen. „Natürlich werden wir Begabten keine Steine in den Weg legen“, sagt die Expertin. „Aber Hochmotivierte finden sowieso ihren Weg. Und weniger Motivierte werden wir auch nicht durch neue Angebote an die Uni locken.“ Monika Monat vom Schulreferat gibt auch zu bedenken, dass viele Schüler der Oberstufe ohnehin vollkommen ausgelastet seien mit dem Lernpensum – auch und gerade seit der Einführung des G8, des achtjährigen Gymnasiums: „Viele klagen wegen der Verkürzung der Schulzeit über Überforderung. Ob dann noch eine Nachfrage nach zusätzlichen Uni-Vorlesungen besteht, ist fraglich.“

Hirsch hingegen glaubt, dass sogar Kinder aus „bildungsferneren Schichten“ durch bessere Zusammenarbeit zwischen Uni und Schule auf den Geschmack kommen könnten, später die Hochschule zu besuchen: „Wenn ihnen das System Uni frühzeitig vertraut wird, kann es sein, dass es für sie selbstverständlich wird, sich dort ausbilden zu lassen.“ Trotz aller Kritik diskutiert das Schulreferat mit den Unis derzeit über Hirschs Vorschlag eines Junior-Studiums. In vielen anderen Städten Deutschlands wird ein solches seit Jahren erfolgreich angeboten – als Mittel der Begabtenförderung. Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 31.10.2007
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