Albrecht Ackerland über Lernen

„Da schau her“

„Bub, du lernst nicht für die Schul’, sondern fürs Leben“, hat meine Großmutter immer gesagt. Sie hatte Recht: Mit meinen zwölf, vierzehn Jahren lernte ich tatsächlich fürs Leben – für das damals gelebte, und das hatte vor allem eines zum Inhalt: Spaß. Ich brachte mir damals selbst bei, wie man kleine Piratenradiosender zusammenlötet, mit denen ich dann im Umkreis von ein paar hundert Metern auf der Frequenz von Bayern 1 senden konnte.

Der arme Bayerische Rundfunk musste viele böse Anrufe von meiner sonst so braven Oma ertragen, weil immer häufiger wüster Rock aus ihrem Radio dröhnte und nicht wie gewünscht angenehmes Gedudel mit den weichgespülten Moderationen – eben kein Radioprogramm, das zum großmütterlichen Bügeln taugt.

Ich lernte also viel: wie man lötet und eben auch, wie man sich bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beschwert. Beides lernte ich fürs Leben und nicht für die Schule, auch wenn ich längst nicht mehr verbotenerweise sende. Und beim BR hab’ ich mich auch noch nie beschwert – sollte ich aber tun, wegen der täglichen Beleidigung meiner bayerischen Seele in „Dahoam ist dahoam“, einer neuen sogenannten Daily im Dritten. Das aber nur am Rande.

Die Münchner Stadträtin Nadja Hirsch möchte Jugendliche schon im Schulalter an die Uni schicken. Eine ausgesprochen gute Idee. Hätte es das zu meiner Zeit schon gegeben, ich wäre vielleicht Physiker oder Ingenieur geworden, hatte ich doch schon Praxis mittels Piratensender-Gelöte bewiesen.

Allerdings: Im Leben lernt man nie aus, auch so eine wahre Weisheit von meiner Großmutter. Also wäre es nur gerecht, wenn jeder irgendwann automatisch eine akademische Würde erhielte, vorausgesetzt freilich, er ist offen für das Leben. Ist ja keine Selbstverständlichkeit.

Artikel vom 31.10.2007
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