Albrecht Ackerland über Pop

München - „Da schau her“

Rebellion, Anderssein, Wildsein – in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als der Rock’n’Roll seinen Lauf nahm und damit der Pop begann, war das ein Graus für die ältere Generation. Hierzulande verabscheuten sie vielleicht sogar Peter Kraus. Aus heutiger Sicht betrachtet erscheinen die Helden und Rebellen jener Zeit spießig, angepasst, schwiegersohngleich. Klar, die Zeiten entwickeln sich, und ohne jene Schmalzlockenrevolution wäre heute alles anders.

Ein paar Jahre später, in den Sechzigern, wurde noch wesentlich mehr aufbegehrt: Alles war politisch, kritisch, ausgeflippt – Sie wissen es. Und alles war – aus heutiger Sicht betrachtet – Pop! Populärkultur eben. Hätte es die revolutionsverliebte Zeit nicht gegeben, wäre heute alles nicht, wie es ist. Wieder ein paar Jahre später kam der Punk, wieder eine wichtige Zeit, wieder war in den Augen der neuen Generation alles spießig, zu weichgespült. Hätte es den Punk nicht gegeben – der sich selbst als krasses Gegenteil von „Pop“ positionierte – heute wäre alles anders. Die Werbung, die Mode, die Popmusik, die ganze Populärkultur. Dass viele sehr wilde Punks von 1977 heute gerne Anzug tragen und flotte Agenturen betreiben: Wen wundert’s?

Nun ist der Pop längst wirklich beim Pop angekommen, kein Aufbegehren mehr, alles windelweich, musikalisch, literarisch, künstlerisch oft zwar gut, aber eine Veränderung der Gesellschaft, das steht nicht mehr in der Geschäftsordnung. Von den Jungen, die wild sein sollten, ist ein jeder ein Popper.

Dass sich also die Kirche kürzlich schwer aufregte, weil das Musikfernsehen seine Videoclippreise an – oh Gott! – Allerheiligen vergeben will und zwar in der Münchner Olympiahalle, das kann einen schon amüsieren. Lustig ist aber auch die Forderung nach mehr öffentlicher Förderung der Popkultur. Damit gräbt sich der Pop selbst sein Grab. Vielleicht ist ja die katholische Kirche der neue Gralsträger der eigentlichen Idee von Pop. Sie will anders sein.

Artikel vom 04.10.2007
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