Albrecht Ackerland über den Tegernsee

München - „Da schau her“

Reisen zurück an Orte der Erinnerung – die sind immer scheußlich. Diese Erfahrung musste ich bitterlich machen, als ich kürzlich zum Lago di Garda fuhr. Die Hölle ist das, so fühlte ich, bloß weg, nicht mal mehr der Metzger ist ein Metzger, sondern ein schäbiger T-Shirt-Verkäufer, den es freilich auch braucht an einem Ort wie Bardolino.

Aber es ist der zehnte Laden am Ort, der Leiberl verkauft, deren Aufdruck keine dreimal Waschen aushält – nicht nur, weil die innovative Qualität der abgedruckten Musikgruppen eben jener minderen Druckfarbe entspricht, sondern auch, weil das Hemd an sich nicht zum Waschen erzeugt wurde. Wenn also der zehnte, ach was, hundertste Laden solchen textilen Unrat zu überhöhten Preisen verscherbelt, der Laden, in dem man noch vor wenigen Jahren ganz passable Mortadella bekam – dann, ja dann weiß man: Es ist Zeit zu gehen.

Ich ging also, besser: ich fuhr gen Norden. Dass der Norden die bessere Wahl ist, mögen vielleicht die Wikinger gewusst haben; ich wusste es bis dahin noch nicht. Trotzdem steuerte ich mein Auto Richtung Tegernsee. Dort angekommen musste ich feststellen, dass der Ort zwar immer noch sehr schön ist, die Berge noch so stehen, wie sie vor fünfzehn Jahren standen. Auch das nette Ausflugslokal jenseits des Wallbergs in Enterrottach gab es noch.

Und doch war ich immer versucht, irgendwelche T-Shirts zu kaufen, weil man an einem Urlaubsort eben solche flüchtigen Kleidungsstücke kauft. T-Shirts sind die modernen Schlüsselanhänger. Egal ob nun – wie in Bardolino – Jon Bon Jovi saublöd vom Leiberl runterlacht oder eben – wie am Tegernsee – das „B“ in Frakturschrift vom Bräustüberl am Schloss Tegernsee.

Mich hat’s geschüttelt und auch gewürgt, was sicherlich auch an meinen neun Halben im Bräustüberl lag. Doch Kraft genug hatte ich noch, angesichts des neuen T-Shirts etwas zu entscheiden: Für Urlaubszwecke eignen sich Seen nur bedingt. Die bayerischen – in meinem Fall den Lago und den Tegernsee – muss man vergessen können in der Hauptsaison. Lieber noch setze ich mich in einen Flieger. Und besuche einen See, der sich auch so nennen darf. Also: Flug gebucht zum Lake Michigan. Chicago. Vereinigte Staaten. Amerika, Sie verstehen.

Ob ich dort auch ein Bon-Jovi-Shirt mit Rüschenärmeln bekommen werde, das lesen Sie in der nächsten Woche.

Artikel vom 23.08.2007
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