Straßenambulanz sorgt für Münchner ohne Zuhause

München · Mobile Ärzte für Obdachlose

Krankenpfleger Frater Karl Wiench und Dr. Barbara Peters-Steinwachs (v.l.) verarzten Obdachlose. Foto: js

Krankenpfleger Frater Karl Wiench und Dr. Barbara Peters-Steinwachs (v.l.) verarzten Obdachlose. Foto: js

München · In München leben derzeit rund 600 Obdachlose. Brauchen sie einen Arzt, dann können sie seit exakt 20 Jahren in die Praxis im Männerwohnheim in der Pilgersheimer Straße gehen. Für Menschen, die den Gang dorthin scheuen, gibt es die Münchner Straßenambulanz, die kürzlich zehnjähriges Jubiläum feierte.

Die Praxis in der Pilgersheimer Straße war die erste freie niedergelassene Obdachlosenpraxis in Deutschland, wie Gerald Winkler, Fachreferent beim Katholischen Männerfürsorgeverein München, berichtet. Lucretia Hirsekorn hatte das Projekt als behandelnde Ärztin aufgebaut. »Ich bewundere noch heute ihren Mut«, so Winkler.

Seit inzwischen elf Jahren leitet Dr. Barbara Peters-Steinwachs die Obdachlosenpraxis. »Wer auf der Straße lebt, achtet kaum auf seine Gesundheit«, sagt sie. Im Vordergrund stünden für ihre Patienten elementare Grundbedürfnisse wie die nächste Mahlzeit oder die Suche nach einem Schlafplatz. »So jemand geht nicht zum Arzt.«

Deshalb müsse man die Patienten selbst aufsuchen. Hierfür hat der Katholische Männerfürsorgeverein 1997 die Münchner Straßenambulanz gegründet, die Peters-Steinwachs ebenfalls leitet. Dreimal pro Woche fährt sie mit einem Krankenpfleger in einem Kleintransporter durch die Stadt. Der Wagen ist mit einer Liege, einem Sauerstoffgerät, Medikamenten und Verbandsmaterial ausgerüstet. »Wir finden unsere Patienten zum Beispiel bei den Essensausgaben am Rossmarkt oder am Isartor«, erzählt sie.

Inzwischen sei die mobile Arztpraxis bei den Obdachlosen bekannt. Peters-Steinwachs’ Klientel reicht von 18-jährigen Jugendlichen bis zu 80-jährigen Senioren. »Obdachlose Kinder sind mir in München aber nie begegnet«, versichert sie.

Viele Kranke muss sie dazu überreden, die ärztliche Versorgung anzunehmen. Die häufigsten Beschwerden von Obdachlosen seien wunde Füße, Ungeziefer wie etwa Läuse und Infekte jeder Art. Manchmal sind mehrere Behandlungen nötig – zu den vereinbarten Terminen kämen die Patienten aber nicht immer. »Da fragt man sich dann, wie das wohl weitergegangen ist«, gesteht Peters-Steinwachs. »Oft wundere ich mich, wie die Leute überleben.«

Während ihrer zehnjährigen Arbeit mit Obdachlosen habe es nur einen Todesfall gegeben: Vor acht Jahren sei ein Mann erfroren, weil er im Schlaf von der Matratze gerutscht sei. Ob jemand krankenversichert ist, spielt bei der Straßenambulanz und der Obdachlosenpraxis übrigens keine Rolle. Auch von der Praxisgebühr sind die Patienten befreit. Weil viele Obdachlose drogen- und alkoholabhängig oder psychisch krank sind, bietet die Praxis in der Pilgersheimer Straße seit drei Jahren auch psychiatrische Versorgung an. »Es gibt viel Hilfe, leider aber erreichen wir nicht jeden«, klagt die Ärztin.

Einige Patienten trifft sie seit mehr als zehn Jahren, »und an ihrer Lage hat sich nichts geändert.« Allerdings kennt sie auch ehemalige Obdachlose, denen die Rückkehr in bürgerliche Verhältnisse geglückt sei.

Artikel vom 22.08.2007
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...