Bayerns Sozialministerin Christa Stewens will Organspende neu regeln

München - Herz zu verschenken?

80 Prozent der Deutschen befürworten die Organspende, nur 15 Prozent allerdings haben in einem Spenderausweis festgelegt, dass sie ihr Herz im Fall der Fälle weitergeben würden.Bild: Archiv

80 Prozent der Deutschen befürworten die Organspende, nur 15 Prozent allerdings haben in einem Spenderausweis festgelegt, dass sie ihr Herz im Fall der Fälle weitergeben würden.Bild: Archiv

Die Aufregung war groß, aber für die Kandidaten letztlich vergebens: Die Organspende-Show neulich im niederländischen Fernsehen war, wie der Zuschauer schließlich erfuhr, komplett inszeniert; die todkranke Spenderin hatte sich als quietschlebendige Schauspielerin entpuppt. Für die Macher der Sendung, die übrigens auch das Format „Big Brother“ entwickelt hatten, ist das Konzept dennoch aufgegangen: Aufmerksamkeit wollten sie laut Eigenaussage für die schwierige Lage von Menschen erzeugen, die eine Organspende brauchen.

Als „verabscheuungswürdig“ bezeichnete dagegen Bayerns Sozialministerin Christa Stewens die Sendung, aber gleichzeitig gestand sie der Show einen sinnvollen Effekt zu: „Dass nun so viele Menschen ernsthaft über Organspenden nachdenken, zeigt, dass es nötig und hilfreich ist, die Bürger mit dem Problem zu konfrontieren.“ Dies sollte allerdings auf andere Weise geschehen als durch eine makabere TV-Show. Stewens Vorschlag: jeder Deutsche soll auf der Gesundheitskarte, die ab 2009 die Krankenversicherungskarte ersetzen wird, festlegen, ob er nach seinem Tod seine Organe spenden würde oder nicht. 1.700 Bayern hängen derzeit in der Warteschleife für ein neues Organ, der Großteil benötigt eine neue Niere. Deutschlandweit brauchen 11.480 Menschen lebensrettende Organe – 8.101 Personen eine Niere, 1.816 eine Leber. Dazu kommen etwa 60.000 Dialyse-Patienten, die durch eine neue Niere ein deutlich besseres Leben führen könnten. Die Wartezeit für solch ein Organ aber ist lang, in der Regel fünf Jahre – vielen Patienten läuft damit die Zeit davon: Rund drei Deutsche sterben pro Tag, weil sie ihr krankes Organ nicht rechtzeitig durch ein funktionierendes ersetzen können. 4.000 Deutsche konnten andererseits im vergangenen Jahr durch eine Transplantation gerettet werden – was laut Stewens längst nicht genug sei.

Daher sei es jetzt höchste Zeit, so die CSU-Frau, das Transplantationsgesetz zu ändern, „denn es hat in den zehn Jahren seit seinem In-Kraft-Treten leider nicht zu einer entscheidenden Entschärfung des Organmangels geführt“. Ihr Vorschlag ist ein sogenanntes Stufenmodell: „Zunächst soll die Bevölkerung verstärkt über die Organspende aufgeklärt werden. Dann soll sich jeder Einzelne in einem geregelten Verfahren für oder gegen eine Organspende entscheiden“, schlägt sie vor. Konkret soll jeder Deutsche auf seiner Gesundheitskarte verpflichtend eine Aussage darüber treffen, ob er zu einer Organspende bereit sei: Optional könne er „ja“, „nein“ oder „weiß nicht“ angeben. Will sich der Betreffende nicht festlegen, soll nach seinem Tod „ein sensibles Gespräch mit dessen Angehörigen geführt werden“, wie Stewens sagt, die „selbstverständlich“ selbst einen Organspende-Ausweis besitzt. „Es erscheint mir moralisch und gesellschaftlich zumutbar, dass sich jeder darüber Gedanken macht, wie er zur Organspende nach seinem Tod steht.“ Einer aktuellen Umfrage zufolge befürworten rund 80 Prozent der Deutschen die Organspende – noch mehr allerdings, 85 Prozent, besitzen keinen Spenderausweis.

Dieser würde im Fall der Fälle eine Organspende erleichtern: Besitzt ein Verstorbener keinen Ausweis, müssen die Angehörigen entscheiden, ob die Organe des Toten bis zu drei Schwerkranken neues Leben schenken können. Mehr als ein Drittel der möglichen Organspenden allerdings scheitert in Bayern an der fehlenden Einwilligung der Verstorbenen oder ihrer Angehörigen. Auf der anderen Seite wurden im Freistaat im vergangenen Jahr 564 Organe von 184 Spendern freigegeben. Auch vielen Ärzten falle es übrigens schwer, den Angehörigen gleich nach dem Tod eines geliebten Menschen nach dessen Organen zu fragen. Überhaupt bemängelt Hans Lilie, Vorsitzender der Ständigen Kommission Organtransplantation bei der Bundesärztekammer, die fehlende Bereitschaft vieler Krankenhäuser, Transplantationszentren über mögliche Spender zu informieren. Die Anzahl der Lebendspenden hingegen steigt in Bayern kontinuierlich: von 63 im Jahr 2000 auf über 100 im vergangenen Jahr. Was unter anderem an den sogenannten Cross-over-Spenden, mit denen die Bayerische Landesärztekammer operiert, liegen könnte: die sieben bayerischen Transplantationszentren informieren sich gegenseitig über die Menschen, die ihren kranken Partnern eine Niere spenden würden, dies aus medizinischen Gründen aber nicht können.

So gelingt es gelegentlich, passende Spender- und Empfängerpaare, die allesamt in einer ähnlichen Situation stecken, zusammenzubringen – und „überkreuz“ die Organe tauschen zu lassen. Eine Transplantation der Organe verstorbener Menschen sei aber wegen der gesundheitlichen Risiken für den Lebendspender in den meisten Fällen vorzuziehen.

Alles in allem werden in Deutschland übrigens seltener Organe transplantiert als in anderen europäischen Ländern, was an der unterschiedlichen Gesetzgebung liegen mag: in Belgien, Italien oder Österreich etwa wird die Organspende durch die sogenannte Widerspruchsregelung erleichtert. Hier können Organe entnommen werden, wenn der Verstorbene eine Entnahme zu Lebzeiten nicht ausdrücklich abgelehnt hat, allerdings haben die Angehörigen noch Mitspracherechte. Noch weiter geht die Informationsregelung, wie sie beispielsweise in Frankreich oder Schweden praktiziert wird: Auch hier geht der Gesetzgeber von einer grundsätzlichen Bereitschaft zur Organspende aus, sofern der Verstorbene diese zu Lebzeiten nicht ausdrücklich verweigert. Die Angehörigen haben in diesen Ländern nur ein Informationsrecht, widersprechen können sie einer Organentnahme nicht.

Wer bereit ist, im Todesfall seine Organe freizugeben, kann sich im Internet unter www.stmas.bayern.de/krankenhaus/transplant/download.htm einen Organspendeausweis herunterladen.

Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 21.06.2007
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...