Student Sebastian Dengler schreibt Diplomarbeit über das Glockenbachviertel

Glockenbachviertel · Ein bisschen Berlin

»Am Glockenbach« – total: Der Sozialgeographie-Student Sebastian Dengler (Bildmitte) studiert das Viertel, im wahrsten Sinne des Wortes: Er schreibt eine Diplomarbeit über die Stärken und Schwächen der Gegend.	Collage: clash

»Am Glockenbach« – total: Der Sozialgeographie-Student Sebastian Dengler (Bildmitte) studiert das Viertel, im wahrsten Sinne des Wortes: Er schreibt eine Diplomarbeit über die Stärken und Schwächen der Gegend. Collage: clash

Glockenbachviertel · Sebastian Dengler ist Berlin-Fan. Besonders gefällt dem 26-jährigen Sozialgeographie-Studenten, dass dort beinahe jeder Kiez, wie die Berliner Stadtbezirke genannt werden, einen mehrteiligen, lebendigen, für viele Menschen nutzbaren Platz hat. Anders in München: Wie Dengler – übrigens aus Landsberg am Lech stammend – nach einer Analyse von 800 Münchner Plätzen festgestellt hat, muss man in der bayerischen Landeshauptstadt gut funktionierende Freiflächen mit der Lupe suchen.

Als er das Glockenbachviertel inspiziert hatte, bekam der Student allerdings leuchtende Augen: Die Fläche um den Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz und »Am Glockenbach« ist für Dengler ein bisschen wie Berlin, oder, um es ein wenig heimatverbundener zu formulieren: Eine für München einzigartige Mischung unterschiedlichster Nischen. Diesem attraktiven Flecken hat Dengler seine Diplomarbeit gewidmet. Und die Anwohner des Viertels greifen ihm bei seinen Recherchen tatkräftig unter die Arme. »Glockenbachplatz – Stärken, Schwächen, Chancen, Risiken«, so lautet das Thema von Denglers Diplomarbeit. Trockene Wissenschaft wird darin kaum zu finden sein, denn Dengler drückte – ganz praktisch – 25 Anwohnern Einwegkameras in die Hand, damit sie das, was sie an ihrem Viertel besonders gut und schlecht finden, aus ihrer ganz persönlichen Perspektive fotografieren. Anschließend analysiert der Landsberger Student die Bilder, um sich einen – objektiven – Gesamteindruck der Stärken und Schwächen der Gegend zu verschaffen.

Die vorläufigen Ergebnisse der ungewöhnlichen Forschung? »Obwohl der Spielplatz von befahrenen Straßen umrahmt ist, ist er das Highlight der Gegend«, erzählt Dengler. »Er ist toll ausgestattet: Kleinkinder haben ihren Sandkasten, ältere Kinder können mit der Wasserpumpe herummantschen, Zwölfjährige haben einen Bolzplatz, alles ist schattig.« Und der Pavillon fungiert als »Nachbarschafts-Kommunikationszentrale«: »Darin befestigen die Anwohner Zettel wie ›Verkaufe Kinderbett‹ oder ›Suche Babysitter‹ – der Pavillon ist das schwarze Brett des Viertels.« Am negativsten wird im Gegenzug der Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz bewertet: »Das ist eine Freifläche, die nicht bespielt wird. Die drei Bänke haben keine Rückenlehne – und auch ansonsten lädt hier nichts zum Verweilen ein.« Dengler schlägt vor, hier einen Wochen- oder Flohmarkt zu veranstalten.

Die Bewohner selbst klagen über die mangelnde Versorgungslage im Viertel: Zum Einkaufen müssten sie zumeist zum Baldeplatz gehen. Und so manch ein Glockenbachler störe sich auch an den überall herumstehenden Fahrrädern und den Werbeplakaten, die wild an Stromverteiler und Mauern geklebt werden. »Es gibt darüber hinaus Flecken im Viertel, über die die Anwohner komplett geteilter Meinung sind«, hat Dengler herausgefunden: zum Beispiel die kleine Fläche an der Rückseite des Karl-Heinrich-Ulrichs-Platzes.

Jugendliche sitzen dort gern auf der – übrigens kaputten – Tischtennisplatte herum und genießen es, ohne soziale Kontrolle herumhängen zu können. »Das ist wichtig für sie«, meint Dengler. Anderen hingegen ist der Platz ein Dorn im Auge: »Einige Anwohner klagen über zerfledderte Pizzakartons und ausgetretene Zigaretten, die hier herumliegen.«

Weiteres Studienergebnis: Die Grünflächen am Westermühlbach sind für viele Hundebesitzer die »schönsten Hundeauslaufwiesen im Quartier«, andere würden die Hunde und vor allem deren Hinterlassenschaften am liebsten von dort aussperren, um sich selber auf der Wiese sonnen zu können.

Trotz der kleinen Streitereien um Radl und Hundehaufen lautet Denglers Gesamtfazit: Das Glockenbachviertel ist definitiv kein Problemviertel, sondern im Gegenteil mit kleinem Aufwand in ein Schmuckstück verwandelbar.

Der Geografie-Experte selbst würde übrigens jederzeit in die Gegend ziehen, wären da nicht die horrenden, für einen Studenten kaum erschwinglichen Mietpreise. Derzeit allerdings bleibt ihm nichts anderes übrig, als zweimal die Woche von Landsberg am Lech ins Viertel zu pendeln, um seine Feldstudien voranzutreiben. »Die häufigen Besuche im Viertel brauche ich, um während der vielen Schreib-Arbeit, die ich jetzt bewältigen muss, ein Gefühl für die Gegend zu behalten« , sagt er. Und was passiert, wenn er sein Diplom hat? »Mein Traum wäre eine tolle Stelle als Geograf in einer Gegend mit großem Handlungsbedarf«, sagt er. »Am liebsten in Berlin.« N. Nöhmaier

Artikel vom 12.06.2007
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