Berufsbildungswerk in Musenbergstraße

Johanneskirchen · Gehörlos, doch perfekt im Handwerk

Für Steve Urban, 19 Jahre, die Chance zum Traumberuf: Er wird im BBW zum Orthopädie-Schuhmacher ausgebildet.Foto: aha

Für Steve Urban, 19 Jahre, die Chance zum Traumberuf: Er wird im BBW zum Orthopädie-Schuhmacher ausgebildet.Foto: aha

Johanneskirchen · »Ich wünsche mir Menschen, die Behinderte akzeptieren und auf Nachfragen reagieren«, ist Steven Urbans größter Wunsch. Der 19-Jährige aus Chemnitz hört zwar noch gut, wird aber erblich bedingt sein Gehör verlieren – bis zur absoluten Taubheit. Daher absolviert er im Berufsbildungswerk München (BBW) eine Ausbildung zum Orthopädie-Schuhmacher.

Das BBW bildet seit 1952 Jugendliche mit einer Hör-, Sprach- oder anderen Kommunikationsbehinderung in zahlreichen anerkannten Berufen aus. Die Werkstätten befinden sich seit 1977 in der Johanneskirchener Musenbergstraße, gleich neben dem Förderzentrum Förderschwerpunkt Hören, vormals »Schule für Schwerhörige München«, und der Heilpädagogischen Tagesstätte. Beim BBW sollen »die Gehörgeschädigten eine ihren Fähigkeiten entsprechende Ausbildung erhalten, damit sie später wirklich auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen und eigenständig leben können«, erklärt Astrid Pichler, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, das Ziel des BBW.

So machen in der Musenbergstraße derzeit insgesamt 150 Jugendliche eine Ausbildung und 30 absolvieren eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme, die von der Agentur für Arbeit gefördert wird. Insgesamt 15 Jugendliche sind in der Werkstatt der Orthopädie-Schuhmacher. Hier ist die Stimmung locker, es wird aber auch aufmerksam geschaut und zugehört, wenn Siegfried Bothur oder Thomas Harlander, die zwei Ausbilder, etwas erklären. »Wir müssen den Jugendlichen alle Fachbegriffe zeigen und in einfachen Worten (mit Gesten) beschreiben. Gerade die Gehörlosen haben ein ganz anderes Vokabular als wir und müssen die Fachbegriffe verstehen und anwenden. Nur wenn sie wirklich jedes Detail und jeden Arbeitsschritt kennen, können sie in einer normalen Werkstatt zurechtkommen«, beschreibt Bothur die besonderen Erfordernisse der Ausbildung. »Für Fachbegriffe entwickeln wir gerade erst Fachgebärden, welche die Gebärdendolmetscher benutzen können.«

Während drei Praktika im Verlauf der Ausbildung lernen die Jugendlichen das normale Arbeitstempo kennen und werden mit nicht spezialisierten Chefs und Kollegen konfrontiert. »Das war kein Problem«, sagt Urban über sein Praktikum in Chemnitz, »die Firma war klasse. Die Kollegen sind nett auf mich eingegangen«. Urban ist sich sicher, dass er in dem Beruf zurecht kommen wird, der für ihn »Vielfalt, ein großes Spektrum, gute Zukunftsaussichten und menschlichen Kontakt« sichert und in dem er auch den Meisterbrief anstrebt. Doch »der ist eine Frage des Gebiets zwischen Zeigefinger und Daumen«, sagt Urban und denkt an die dafür erforderlichen 25.000 Euro.

Noch steht er ab sieben Uhr morgens in der Ausbildungswerkstatt an der Schleifmaschine oder entwirft am Zeichentisch moderne Schuhmodelle, in die er orthopädische Stützen einarbeitet. In knapp zwei Jahren wird er seine Ausbildung beendet haben und vermutlich zu den 75% bei der BBW Ausgebildeten gehören, die in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können.

Das BBW München bietet außer dem (Orthopädie-) Schuhmacher die Ausbildung in folgenden Berufen an: Buchbinder, Drucker, Feintäschner, Garten- und Landschaftsbauer, Gärtner, Maler und Lackierer, Mediengestalter, Metallbauer, Schneider, Schreiner und Technischer Zeichner.

Zwei neue Ausbildungsgänge gibt es ab September: Friseure und Gestalter für visuelles Marketing – hier sind noch Plätze frei! Angela Boschert

Artikel vom 12.06.2007
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