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Albrecht Ackerland über Gläserne Bürger
München - „Da schau her“
„Wer sich nichts zuschulden kommen lässt, braucht auch nichts zu fürchten!“ – So klingt die ewige Standardantwort auf Kritik an wachsender Überwachung im Land. Klar: Warum sollen sich Frau Meier oder Herr Huber auch vor Überwachungskameras oder vor der Speicherung ihres Fingerabdrucks im Pass fürchten? Warum sich bedroht fühlen, wenn auf der Fahrt in den Urlaub das Autokennzeichen von Kameras auf der Autobahn registriert wird?
Wenn die Handy-Verbindungen über Monate gespeichert werden? Frau Meier und Herr Huber sind kreuzbrav, der Pfarrer kennt sie mit Namen, nie kämen sie auf die Idee, etwas Verbotenes zu tun. Sollen sie doch filmen und speichern, sagen die Meierin und der Huber.
Neuerdings nehmen Frau Meier und Herr Huber sogar freiwillig an einer Speicherung von persönlichen Daten teil: Der Huber sammelt Punkte an der Tankstelle, für die er irgendwann einen Fußball bekommt, den er dann seinem Neffen schenkt. Die Meierin bekommt Punkte, wenn sie im Drogeriemarkt ihren Lidschatten und ihr Klopapier kauft; was sie am Ende für die Punkte bekommt, weiß sie nicht so genau, aber schaden kann’s ja auch nicht, umsonst ist umsonst, also an sich schon mal nicht schlecht.
Ist ja auch egal, wenn Industrie und Handel ganz genau wissen, was Huber und Meier kaufen, wie oft, welche Marken, wann. Ist ja auch egal, wenn Staatsorgane sammeln und schauen. Ist ja auch egal, wenn bald alles nachvollzogen werden kann im Leben eines Menschen. Es gibt ja den Datenschutz, denkt sich die Frau Meier.
Das ist hier ja nicht so wie bei der Cousine aus Chemnitz, die ganz üble Geschichten von der Stasi zu erzählen weiß. Nein, Anonymität ist der Frau Meier wichtig: Die Nachbarin braucht ja wirklich nicht alles wissen, deswegen packt sie ihr Klopapier noch an der Kasse in eine blickdichte Tasche.
Die Grünen im Münchner Rathaus regen sich gerade furchtbar auf über eine bundesweit geplante Sammlung von Schülerdaten, einem sogenannten „Kerndatensatz mit Individualdaten für Schulverwaltungs- und Statistikzwecke“. Darin soll nicht nur die gesammelte Bildungskarriere der Menschen stehen, ganz nebenbei geht es darin auch gleich noch um „Problemgruppen“ wie sozial Benachteiligte. „Jedem Schüler eine Nummer“ ist die Losung.
Alles nicht so schlimm, denkt sich der Herr Huber, sein Neffe, der mit dem Fußball, ist ja eh ein Braver.
Doch könnte es stattdessen sein, dass sich die sammelnden Behörden etwas zuschulden kommen lassen? Unser Grundgesetz sieht viele Rechte für den einzelnen Bürger vor; wer immer wieder von Änderungen träumt, die eine Überwachung leichter und angeblich die Sicherheit dadurch größer werden lassen, der hat das Grundgesetz nicht verstanden. Oder ist er gar ein Feind der Grundrechte? Wir müssen unsere Rechte schützen, uns undurchsichtig halten, weniger vor dem Nachbarn und mehr vor den Datensammlern. Dann brauchen wir uns auch nicht zu fürchten.
Artikel vom 06.06.2007Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp
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