Patricia Herzog, Jugendtreff am Biederstein, über Integration in der Praxis

Schwabing · »Oft werden nur die Defizite gesehen«

Beim Breakdance-Kurs etwa spielt Herkunft keine Rolle.	Foto: VA

Beim Breakdance-Kurs etwa spielt Herkunft keine Rolle. Foto: VA

Schwabing · Beim Podiumsgespräch »Wie weltoffen ist Schwabing?« wurden als erfolgreiche Beispiele für Integration die Schwabinger Jugendeinrichtungen genannt, darunter der städtische Jugendtreff am Biederstein in der Gohrenstraße 6. Wir haben mit Patricia Herzog, seit 15 Jahren die Leiterin, gesprochen.

Wie funktioniert im Jugendtreff Integration ganz konkret? Integration bei uns läuft sehr gut, weil mit unserer Mischung aus Aktion, Unterhaltung, speziell im Bereich Jugendkultur wie Hip Hop oder Graffiti, und Beratung der direkte Kontakt zu den Jugendlichen besteht. Da findet ein regelmäßiger Austausch statt und die Jugendlichen können hier Regeln sowie auch das Programm mitgestalten. Gerade bei Veranstaltungen kann man die verschiedenen Gruppen integrieren: Da kann jemand gut Flyer gestalten, andere sind zuständig für den Eintritt oder den Getränkeverkauf. Solche Projekte sind wichtig, um praktische Integration mit versteckten pädagogischen Zielen zu üben.

Für mich bezieht sich Integration nicht nur auf Ausländer und Nicht-Ausländer, sondern auch auf Menschen unterschiedlichen Alters, Männer und Frauen oder Behinderte. Orte der interkulturellen Begegnung und kulturellen Bestätigung ermöglichen und fördern Integration in einer besonderen Weise.

Welche Erfolge sehen Sie?

Durch das Lernen bei uns können viele ihre schulischen Erfolge verbessern und die Jugendlichen übernehmen nicht nur bei uns Veranwortung, sondern auch als Schulsprecher oder am Arbeitsplatz. Besonders ist auch, dass bei uns Jugendliche von Jugendlichen lernen. Wir haben fünf ehrenamtliche zertifizierte Jugendleiter, die mit 16 Jahren diese Ausbildung gemacht haben.

Wo gibt es Probleme?

Bei uns im Jugendtreff läuft die Integration gut. Die meisten Probleme liegen im Übertragen der gewonnenen Erfahrungen vom Jugendtreff auf den Alltag in Familie oder Schule. Oft beginnt der Kreislauf von interkulturellen Problemen mit der Familie bis zu Misserfolgen oder Verweigern in der Schule. Die Strukturen erlauben es hier oft nicht, mitzugestalten oder es gibt keinen Ansprechpartner für Probleme. Auch die kulturellen Erfahrungen in der Familie können ein Problem sein, wenn sie völlig anders als in unserer Gesellschaft üblich gelebt werden. Der Jugendliche fühlt sich dann besonders zerissen. Da braucht es Vermittler zwischen Familie und Schule. Im Freizeitbereich liegen da große Chancen, weil die Jugendlichen freiwillig kommen. Und mit den Angeboten aus der Jugendkultur lassen sich pädagogische Ziele versteckt und effektiv umsetzen.

Es gibt aber auch bei uns immer wieder einzelne oder Gruppen, die sich nicht integrieren möchten oder können, und die letztendlich nicht tragbar sind.

Gibt es spezielle Regeln?

Wir haben uns schon lange vor den öffentlichen Diskussionen über die deutsche Sprache auf dem Schulhof auf das Sprechen von Deutsch in unserer Einrichtung geeinigt. Das fällt nicht immer leicht, wird aber konsequent von uns verfolgt und durchgesetzt. Welche Nationalitäten haben die Besucher, inwieweit mischen sie sich? Die Jugendlichen sind zwischen 12 und 27 Jahre alt, besuchen verschiedene Schulformen und Arbeitsbereiche und kommen aus 20 Nationen, wobei keine Nationalität eindeutig überwiegt. Wir haben Besucher aus Schwabing und aus vielen anderen Vierteln über die Stadtgrenze hinaus. Bei Aktionen, Veranstaltungen und den regulären Angeboten mischen sich natürlich die nationalen Zugehörigkeiten. Ob Fußball oder Breakdance – nur das Interesse zählt und nicht woher jemand kommt.

Was muss aus Ihrer Sicht die Politik tun, damit Integration funktioniert?

Jugendliche mit Migrationshintergrund müssen mehr Möglichkeiten für bürgerliches Engagement haben. Jugendliche lernen von Jugendlichen besser, sie sprechen die gleiche Sprache. Die Stadtpolitik und auch die Gesellschaft muss die Ressourcen der Jugendlichen sehen und nicht nur vom Defizit her. Das Positive wird hier zu selten anerkannt. Jenseits der Schule muss es noch andere Erfolgerlebnisse geben, damit sich jemand entwickeln kann. Wir sehen oft, was in den Jugendlichen noch alles so für Talente und Möglichkeiten stecken. M. Schmid

Artikel vom 15.05.2007
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