Gibt es in der Stadt keinen Platz für Tradition?

München - Das große Maibaum-Sterben

Manchen ist er ein Dorn im Auge: Dem Maibaum sind nicht alle Münchner wohlgesonnen.  Foto: Tourismusamt

Manchen ist er ein Dorn im Auge: Dem Maibaum sind nicht alle Münchner wohlgesonnen. Foto: Tourismusamt

Maibäume haben einen schweren Stand in München: Ein Gestrüpp aus Vorschriften macht es ihnen schwer, zum Großstadtgewächs zu werden. Zudem meinen einige Bürger, Maibäume würden nicht ins moderne München passen. Was die städtische CSU anders sieht – weshalb sie gegen das Sterben des Traditions-Stangerls eintritt.

Sie strahlen nicht wie Mobilfunkmasten. Sie erzeugen keine Allergien wie „echte“ Bäume. Sie spenden dennoch ein bisschen Schatten. Trotzdem scheint sich in München eine Lobby gegen Maibäume formiert zu haben. Wie eine Provinzposse hört sich etwa der Kampf der rot-grünen Laimer Bezirksausschuss-Mehrheit gegen Maibäume an. Gerhard Krämer, CSU-Mitglied im örtlichen Bezirksausschuss, hatte vor zwei Jahren den Verein „Laimer Maibaumfreunde“ gegründet. Natürlich mit dem Ziel, erstmals seit über hundert Jahren einen Maibaum im Viertel aufzustellen – auf dem Laimer Anger. „Dort gibt es eine Kirche und ein Wirtshaus, da passt alles zusammen“, findet er.

Die rotgrünen Bezirksausschuss-Kollegen sehen das anders: Ein Maibaum gehöre nicht in die Gegend – ja nicht einmal nach München gehöre er, so SPD-Frau Katja Weitzel: „Laim ist Teil einer Großstadt und kein Dorf.“ Und Reinhard Linsowski von den sonst als Bäume-Retter bekannten Grünen ergänzt: „In die Großstadt passt kein Maibaum.“

So begründete die rot-grüne Mehrheit, warum sie gegen die Aufstellung eines Maibaums in Laim stimmte – obwohl das Baureferat zuvor bereits grünes Licht gegeben hatte. „Des lieben Friedens willen“ fügen sich die Maibaumfreunde dem Votum des Bezirksausschusses, denn „wir wollen keinen Streit im Viertel“, so Krämer.

Allerdings vermutet er, dass sich Rot-Grün nicht aus Modernitätsüberlegungen, sondern aus politischem Kalkül gegen den Maibaum ausgesprochen hatte: „Ich denke, ihnen passt nicht, dass ich als CSU-ler den Maibaumverein gegründet habe.“ Freilich wird er dennoch auch künftig darum kämpfen, den weiß-blauen Holzpfosten aufstellen zu können: „Solange, bis er wirklich steht“, wie er verkündet. Dabei hofft er, dass die Laimer Bürger im März kommenden Jahres „zur Vernunft kommen und eine schwarzgelbe Mehrheit in den Bezirksausschuss wählen.“ Dann, verspricht er, wird der Maibaum so schnell wie möglich aufgestellt werden.

Auch anderswo gibt es Probleme mit der Tradition: In Aubing muss der örtliche Burschenverein zwar nicht gegen den Bezirksausschuss kämpfen – hier ist es die kostspielige Bürokratie, die den Tanz in den Mai verleidet: „Die MVG muss beim Maibaumaufstellen eine Bushaltestelle für drei Stunden verlegen. Kostenpunkt: 970 Euro“, klagt der 24-jährige Sebastian Kriesel, 1. Vorstand des Vereins. Dazu kommen 30 Euro für die Schankgenehmigung, 200 bis 400 Euro für Verkehrsschilder – und so fort: „Wir lassen uns den Spaß trotzdem nicht verderben, die Vereinsmitglieder legen zusammen, damit wir am 1. Mai unseren Baum aufstellen können, über den sich alle freuen. Aber ich frag mich schon, ob die Stadt überhaupt will, dass Brauchtumspflege stattfindet.“

Übrigens kommen zu den Gebühren noch weitere Hürden: der Maibaum muss in München beispielsweise mit einem Kran aufgestellt werden – und darf nicht, wie traditionell verpflichtend, via Muskelkraft hochgezogen werden. Nach einem Jahr muss er zudem von einem „Holzfachkundigen“ begutachtet werden, nach drei Jahren muss ein Experte der Industrie- und Handelskammer seine Standfestigkeit prüfen – was einige hundert Euro kosten dürfte. Und so weiter – „diese Regeln sorgen dafür, dass noch jede Tradition stirbt“, klagt Krämer aus Laim.

CSU-Stadtrat und OB-Kandidat Josef Schmid stimmt zu: „Es ist vollkommen unverständlich, wenn das Bestehen auf bürokratische Vorschriften diese gute, alte Tradition erschwert oder sogar verhindert“, sagt er – und fordert in einem Antrag, dass das Kulturreferat im Sinne der Brauchtumsförderung die Gebühren übernimmt, die Maibaumaufsteller der Stadt München zahlen müssen.

Es gibt natürlich auch Viertel in der Stadt, in denen die Holzpfosten durch und durch erwünscht sind: Alexander Miklosy (Rosa Liste) etwa, Bezirksausschuss-Chef in der Ludwigs- und Isarvorstadt, unterstützt das Vorhaben, einen schwullesbischen – das heißt: rosa – Maibaum in seinem Viertel aufzustellen. „Mir geht es vor allem darum, einer Bürgerinitiative zu helfen“, sagt er. „Wäre doch schön, wenn wir einen Maibaum hätten.“ Indes, hier scheitert das Projekt dennoch, denn die Organisatoren hatten nicht rechtzeitig einen Maibaum-Verein gegründet. Miklosy hofft daher auf kommendes Jahr: Und wird bis dahin einen der vielen neuen Maibäume Münchens, zum Beispiel beim „Alten Wirt“ in Obermenzing, auf dem Perlacher Pfanzeltplatz oder auf der Festwiese in Ottobrunn, bewundern können.

Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 26.04.2007
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