Das Jüdische Museum am Jakobsplatz hat eröffnet

München - Neugier wecken auf mehr

Blick in die Sonderausstellung „Die jüdische Welt und die Wittelsbacher“. Fotos: iw, Museum

Blick in die Sonderausstellung „Die jüdische Welt und die Wittelsbacher“. Fotos: iw, Museum

78 Jahre nach der ersten Idee für ein Jüdisches Museum in München ist daraus am St.-Jakobs-Platz Wirklichkeit geworden. Seit Freitag hat es für Besucher geöffnet. Damit steht in München nach Berlin der zweite Neubau in Europa, in dem ein Jüdisches Museum eingerichtet wird. Der freistehende, schlichte Kubus bildet den Mittelteil des architektonischen Ensembles mit der 2006 eröffneten Hauptsynagoge und dem jüdischen Gemeindezentrum.

Das durchgehend verglaste Foyer mit Buchladen und Café will eventuelle Hemmschwellen abbauen und Interesse wecken. „Neugier auslösen, nicht belehren“, das ist das Ziel von Museumsdirektor Bernhard Purin. Wer, angeregt durch das Gesehene, mehr wissen möchte, kann problemlos in einer Handbibliothek nachblättern. „Assoziativ“ präsentieren sich auch die recht übersichtlichen, aber originell arrangierten Ausstellungen.

Schwerpunkt ist nicht der Holocaust, sondern Geschichte und Gegenwart jüdischen Lebens in seiner ganzen Vielfalt. Auf 900 Quadratmetern gibt es im Untergeschoss eine Dauerausstellung und in den zwei oberen Stockwerken zwei Sonderausstellungen, die alle drei Monate wechseln und sich im Eröffnungsjahr um Kultur und Tradition des Sammelns in München drehen. Dabei geht es angenehm wenig textlastig zu, nötige Erläuterungen, stets auf Deutsch und Englisch, finden sich zum Beispiel auf von hinten beleuchteten Drehsäulen. Die Dauerausstellung „Stimmen_Orte_Zeiten“ präsentiert sieben Installationen und will den Erwartungen nach einer vermeintlich objektiven und vollständigen Darstellung Münchner jüdischer Geschichte und Kultur entgegentreten.

Den Spieltrieb anregen soll etwa der künstlerische wie anschauliche Stadtplan-Teppich von Renata Stih und Frieder Schnock. Als „ungewöhnlich“ für ein Museum bezeichnet Purin zehn groß auf die Wand gepinselte Comicstrips. Die hintersinnigen Bildergeschichten zeigen jüdisches Alltagsleben heute. Der New Yorker Zeichner und ehemalige „Batman“-Herausgeber Jordan B. Gorfinkel hat sie extra für das Münchner Museum angefertigt. Einen ganz persönlichen Zugang erlauben Schaukästen mit ganz unterschiedlichen Alltagsdingen, die die einzelnen Museumsmacher ausgesucht haben: Unter dem Titel „Sachen“ sind unter anderem ein Bierkrug mit der Aufschrift „Reservelazarett Israelitisches Krankenhaus Weihnachten 1917“ zu sehen und ein Zylinder von 1900 aus Julius Thannhausers Hutfabrik am Rindermarkt. Der Hutmacher und Volkssänger war Gründer der ersten Karnevalsgesellschaft in München.

Auf den ersten Blick „klassisch“, aber ansprechend gemacht sind die zwei ersten Sonderausstellungen des Jahresthemas „Sammelbilder“. „Die jüdische Welt und die Wittelsbacher“ (bis 24. Juni) wirft einen Blick in die Münchner Kunst-und Wunderkammer der Renaissance und stellt einige der herausragenden hebräischen Handschriften der ehemaligen Hofbibliothek vor. „Nichts als Kultur – Die Pringsheims“ (bis 10. Juni) erinnert an eine der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen Münchens vor 1933 und an das Schicksal des Schwiegervaters von Thomas Mann.

Der Mathematiker Alfred Pringsheim (1850-1941) machte sein Palais in der Arcisstraße zu einem kulturellen Mittelpunkt Münchens, in dem neben seiner Majolika- und Silbersammlung auch ein großer Wandfries des Malers Hans Thoma zu bewundern war. Reste der nach 1933 gewaltsam zerstörten Kunstsammlung sowie der Thoma-Fries sind nun erstmals seit mehr als siebzig Jahren in München zu sehen – und zwar zu entdecken wie bei einem Puppenhaus in dem fast raumhohen Nachbau des Pringsheim-Palais. Spannend dürften danach auch die Sonderausstellungen „Dirndl, Truhen, Edelweiß – Die Volkskunst der Brüder Wallach“ oder „Die Kunst- und Antiquitätenfirma Bernheimer“ werden.

Einlasskontrollen werde es übrigens nicht geben, erklärt Purin, aber eine Bewachung, die von den Besuchern nicht wahrgenommen wird „Wie in Berlin“, ist sich Ausstellungskünstler Frieder Schnock sicher, „wird das Jüdische Museum am Jakobsplatz eine Anlaufstelle sein für alle Münchner und München-Besucher, an der man nicht vorbeikommt.“ Das städtische Museum ist Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr geöffnet. Erwachsene zahlen 6 Euro, die ermäßigte Karte kostet 3 Euro, Kinder unter sechs Jahren haben freien Eintritt. 9 Euro zahlen zwei Erwachsene mit bis zu vier Kindern für die Familienkarte.

von Michaela Schmid

Betreuer helfen bei Fragen

Besucherbetreuer stehen in den Ausstellungsräumen für alle möglichen Fragen zur Verfügung. Sie sind im Durchschnitt Mitte 20 und meist Studenten. Eine von ihnen ist Charleene Lynch (25).

Wofür sind die Besucherbetreuer da?

Wir beantworten gerne jede Frage und helfen zum Beispiel bei den interaktiven Sachen. Den Stadtplan-Teppich etwa trauen sich manche nicht zu betreten.

Was gefällt dir an der Aufgabe?

Für mich ist das eine tolle Chance, bei einer neuen Institution dabeizusein – und es ist ein Job, der wirklich etwas mit meinem Studium zu tun hat. Ich studiere in München Jüdische Geschichte und Volkskunde, bin aber keine Jüdin, sondern interessiere mich einfach für den Themenkomplex.

Was gefällt dir persönlich an dem Museum?

Das es nicht so zugestellt ist wie manch andere Museen. Hier wird ein neuer, fortschrittlicher Weg gegangen. Man muss ja nicht immer die ganze Geschichte darstellen, das geht auch nicht. Gut finde ich auch, das alles gezeigt wird, was jüdisches Leben ausmacht: Religion, Stadtgeschichte und auch der Alltag. Am besten gefallen mir die teils originellen Objekte zu jüdischem Leben in München, die die Ausstellungsmacher ausgesucht haben und die Geschichten dahinter.

Artikel vom 22.03.2007
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