Schlüssel unserer Persönlichkeit

München - Das Gedächtnis

Interessant und lehrreich erläuterte der Gehirn-Spezialist Hans J. Markowitsch Funktionsweisen und Probleme des menschlichen Gedächtnisses. Foto: aha

Interessant und lehrreich erläuterte der Gehirn-Spezialist Hans J. Markowitsch Funktionsweisen und Probleme des menschlichen Gedächtnisses. Foto: aha

„Ich“ sagen zu können und damit von sich als einzigartige Person zu reden, ist nicht selbstverständlich, obwohl es bei jedem Menschen angelegt ist: im Gedächtnis. Das Gedächtnis macht uns zum Individuum und bestimmt unsere Persönlichkeit, wie Hans J. Markowitsch, Professor für Physiologische Psychologie an der Universität Bielefeld, bei einem bebilderten Vortrag in den Räumen von meandis Biografie & Dokumentation in der Ohmstraße 16, eindrücklich darstellte.

Weitere Veranstaltungen rund um das Thema Biografie und Dokumentation wie „autobiografische Schreibtechniken” (Workshop am Samstag, 17. März) oder „systematische Ordnung wichtiger Unterlagen” (Vortrag am Dienstag, 20. März) folgen.

Der Vortrag von Markowitsch hatte das Thema „Biografische Erinnerung – Wahrheit und Täuschung aus neurowissenschaftlicher Sicht“. Markowitsch, der sich vor allem mit der Funktion des Gedächtnisses beschäftigt, erläuterte zunächst die Gedächtnisformen (zeitlich: Arbeits-, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis und funktional: prozess- und erinnerungsbezogen) und betonte: „Wir vergessen wenig, haben aber aktuell Schwierigkeiten, an Fakten und Erinnerungen ranzukommen.“ Auch wenn wir uns erinnern, spielt uns das sogenannte „false memory syndrom“ immer wieder einen Streich. Es formt eine Erinnerung um und gleicht sie einer Erwartungshaltung an, ohne dass wir es merken.

Beispielsweise verursacht die Art der Fragestellung bei Zeugen eines Autounfalls, wie sie sich an den Unfall erinnern: „krachten die Autos ineinander?“ beinhaltet, dass es zu einem lauten Crash kam, an den sich die Zeugen erinnern, obwohl es keinen Knall gab.

Bei Namen liege die Sache anders, insbesondere bei Nachnamen. Werden sie zum ersten Mal genannt, hat man mit der Person, zu der sie gehören, noch nichts gemeinsam erlebt. Sich an den Namen zu erinnern, falle im Grunde jedem schwer, da es von emotionalen Empfindungen und unseren Vorerfahrungen abhänge, was wir wahrnehmen und abspeichern können. Was kann man gegen ein schlechtes Gedächtnis tun? Bis zu einem gewissen Grad helfe Training, durch das die Verknüpfungen zwischen den Gehirnzellen mobilisiert und verbessert werden. Bei den Forschungen, die Markowitsch international bekannt gemacht haben, stellte sich heraus, dass „Gebildete“ mit einer kognitiven (=Erkenntnis-)Reserve zum Beispiel weniger alzheimeranfällig sind. Bildung und reger Gedankenaustausch tragen also zu einem fitten Gehirn bei.

Auch sich an Ereignisse oder Abläufe zu erinnern hilft, diese zu behalten, da jedes erneute Anstoßen einer Sache im Gedächtnis fester verankert wird. Ein gutes Beispiel ist das Lernen von Vokabeln. Auf die Neubildung von Nervenzellen können Erwachsene nicht hoffen. Sie ist nur bis zum Kleinkindalter möglich. Was bleibt, ist die Verknüpfungen der Nervenzellen untereinander zu verbessern. Das allerdings hilft leider auch nicht gegen Demenz, die schon vierzig Jahre vor Ausbruch angelegt ist, aber noch nicht per Vorsorgeuntersuchung erkannt werden kann. Von Angela Boschert

Artikel vom 15.03.2007
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